Zusammenfassung und Ausblick

In der vorliegenden Arbeit sind die Ergebnisse dargestellt und im Zusammenhang mit den Literaturdaten diskutiert, die sich bei der Untersuchung der Systeme

mit den Methoden TDS, DF, XPS, AES, und LEED bzw. LEED-(I,V) ergeben haben. Insbesondere mit Hilfe der Thermodesorptionsspektroskopie (TDS), gestützt durch die Erkenntnisse aus den anderen Methoden, konnte eine Vielzahl von Systemparametern, Wachstumsmodi und Kinetiken erhalten werden. Dazu wurde die TDS methodisch, aber auch im Hinblick auf die Auswertung der Spektren verbessert (Kap. A 4), z. T. berichtigt und durch spezielle "Semisimulationen" erweitert (Kap. C 5.2). Die wichtigsten Daten der untersuchten binären Systeme sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt:

  Cu/Re(0001)
Kap. C 1
Ag/Re(0001)
Kap. C 2
Au/Re(0001)
Kap. C 3
Pd/Re(0001)
Kap. D 1
Wachstumsmodus SK2 SK4 SK2 SK2 (Legierung)
ps-cp-Übergang bei Q[ML] 0,8 1,0 1,0 -
Edes (α) [kJ/mol] 335 ... 338 270 ... 282 350 ... 360 358 ... 371
TC [K] 1125 1100 (1137) < 1350
EWW(BWA/real) [kJ/mol] 6,2 / 19 6,1 / 8 - / 10 - / -
VZ [kJ/mol] 270 260 310 -

Alle Adsorbatmetalle wachsen auf der Re(0001)-Oberfläche im Stranski-Krastanov-Modus auf, d. h., daß nach der angegebenen Anzahl von Lagen (SK#) Wachstum von dreidimensionale Kristalliten (Cu, Au) oder offenen "Multilagen" (Ag) einsetzt (TD-Zustand α) .

Beim Wachstum der Lagen kommt es zu mehreren interessanten Prozessen, die z. T. durch das Mißverhältnis der Gitterkonstanten von Adsorbat und Substrat, den "misfit" bestimmt werden. Unter anderem treten Phasenübergänge und/oder Legierungsbildungen auf:

Bei den Phasenübergängen ist die zweidimensionale Verdampfung von Adteilchen aus einer festen 2D-Phase in eine 2D-Gasphase (also ein Ordnungs-Unordnungs-Übergang) zu nennen, die genutzt werden konnte, um bestimmte Systemparameter, insbesondere die kritische Temperatur TC des Phasenübergangs und Adteilchen-Wechselwirkungsenergien untereinander (EWW) oder zum Substrat bzw. Volumenkristall (VZ) zu erhalten.

Ein weiterer (in diesem Fall ein Ordnungs-Ordnungs-) Phasenübergang ist der ps-cp-Übergang, bei dem sich die Adteilchen, ausgehend von einer durch das Substratgitter vorgegebenen "pseudomorphen" (ps) Anordnung schließlich ein- oder zweidimensional mit ihrer eigenen Gitterkonstante "close packed" (cp) auf der Oberfläche arrangieren. Dabei kommt es zur Ausbildung von verschiedenen Filmstrukturen, wie z. B. Wellungen der Oberfläche oder Dislokationsdomänen. Dieser ps-cp-Übergang stärkt die Wechselwirkungen innerhalb des Adsorbatfilms und tritt daher desto eher auf, je größer die Adsorbat-Adsorbat-Wechselwirkungen im Hinblick auf die Adsorbat-Substrat-Wechselwirkungen sind.

Welch starken Einfluß die Morphologie der Substratoberfläche beim Wachstum der Lagen hat, konnte am Beispiel der Cu- und Ag-Adsorption auf einer sehr stark gestuften Re(0001)-st-Oberfläche gezeigt werden. Hier werden von Beginn an sehr unterschiedliche Adsorptionsplätze besetzt, und es bildet sich kein einheitlicher, glatter Adsorbatfilm. Durch die verminderte Dimensionalität und die Wirkung der Substratmorphologie konnten zweidimensionale Legierungen aus Ag und Cu bzw. Ag und Au sowie Pd und Re präpariert werden. Dieses Ergebnis überrascht auf den ersten Blick etwas, da Ag und Cu sowie Pd und Re im Volumen eine sehr ausgedehnte Mischungslücke aufweisen.

Innerhalb der ersten Lage der ternären Systeme Ag+Cu/Re(0001) bzw. Ag+Au/Re(0001) nimmt die Desorptionsenergie mit zunehmenden Ag-Bedeckungsgrad ab, was für Systeme mit attraktiven Wechselwirkungen ziemlich ungewöhnlich ist. Tatsächlich widerspiegelt dies aber die Wirkung der Mischungsenergie der zweidimensionalen Legierungsbildung, die in der Größenordnung von 10 kJ/pro Paar liegt (CuAg: 17 kJ/mol, AuAg: 8 k/Jmol). Es kommt jedoch zur Entmischung der Legierung, wenn zu viel Adsorbat mit höherer Bindungs- und Oberflächenenergie (Cu bzw. Au) die Ag-Atome aus dem direkten Kontakt mit der Re-Oberfläche verdrängt.

Erhebliche Wechselwirkungen zwischen Substrat- und Adsorbatmetall zeigen sich beim System Pd/Re(0001). Zwar konnte in XPS-Messungen keine deutliche Verschiebung der Elektronen-Bindungsenergieniveaus des Pd und des Re beobachtet werden, doch liefern DF-Messungen Hinweise auf eine Legierungsbildung. Ganz besonders deutlich werden die Wechselwirkungen in TD-Messungen, aus denen man schlußfolgern kann, daß Adteilchen (wie weiteres Pd oder auch Gase wie CO) auf der neu gebildeten Oberfläche, die maßgeblich durch eine PdRe-Legierungsschicht bestimmt wird (und daher eine veränderte elektronische Struktur besitzt), schwächer als auf reinem Re oder reinem Pd gebunden werden. Dies zeigten TD-Messungen.

Durch die vergleichende Betrachtung der Systeme konnten Rückschlüsse auf die chemische Bindung insbesondere von Münzmetallen auf atomar definierten Oberflächen der Übergangsmetalle der Gruppen 5 bis 9 gezogen werden. Offenbar ist nicht allein die formale Paarbindung nächster Nachbarn entscheidend, sondern vor allem die Delokalisierung der Elektronen des Adsorbatmetalls über den gesamten Metallverband. Dies bewirkt eine etwa zehnmal so feste Bindung des Adsorbats, wie sie durch die Paarbindung allein gewährleistet werden könnte. Je nach Elektronendichteunterschied zwischen Adsorbat und Substrat kann ferner ein gewisser Ladungstransfer hinzukommen, der einen zusätzlichen "ionischen" Bindungsanteil beisteuert.


Eine Weiterführung der Untersuchungen wäre in zwei Richtungen wünschenswert. Zum Einen sollten die hier gewonnenen Kenntnisse (speziell die zu den Legierungssystemen) durch ergänzende Messungen mit anderen Untersuchungsmethoden untermauert und erweitert werden. STM-Untersuchungen stehen z. B. noch aus, um Einzelheiten über die lokale Ordnung der Systeme zu erfahren. Auch sehr stark oberflächenempfindliche spektroskopische Methoden wie LEIS oder Titration (CO- oder auch Xe-TDS, PAX) könnten weitere Aufschlüsse im Hinblick auf Ordnungsphänomene liefern. Durch UPS- oder IPS-Messungen ließen sich Informationen zur elektronischen Struktur gewinnen. Zur Untermauerung der gewonnenen Systemparameter und um weitere physikalische Größen zu erhalten, sind schließlich quantenchemische Rechnungen und/oder MC-Simulationen erforderlich, die auf den LEED-, DF- und vor allen Dingen den TDS-Messungen aufbauen könnten.

Andererseits wäre es natürlich auch sinnvoll, weitere vergleichbare Systeme zu untersuchen. Im Hinblick auf die Zweikomponentenlegierungen könnten die Systeme Ni/Re(0001) oder Pt/Re(0001) interessant sein, im Hinblick auf die ternären Systeme auch Cu+Au/Re(0001). In diesem Zusammenhang wäre es sicherlich besonders lohnend zu erforschen, inwieweit grabenförmige Oberflächen (wie beispielsweise die Re( 10 1 ¯ 0 )) eindimensionale Effekte induzieren werden, die sich auf die Legierungsbildung auswirken könnten.