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2. Das System Ag/Re(0001)

2.1. Thermodesorptionsspektroskopie

2.1.1. Spektrenformanalyse

Zunächst wurde das System Ag/Re(0001) mittels TDS in einem Bedeckungsgradbereich von 0 bis 6,4 ML untersucht. Dies geschah mit einer Heizrate von 7,2 K/s, die in Bezug auf das Verhältnis von Intensität zu Auflösung optimal ist. Die Schrittweite zwischen den einzelnen Spektren betrug ca. 0,16 ML. Die resultierende Spektrenserie ist in Abb. C 13 a dargestellt.

Abbildung C13
Abbildung C13  a) Thermodesorptionsspektren und b) layer plots des Systems Ag/Re(0001) für Anfangsbedeckungsgrade von bis zu 6,4 ML, in Schritten von ca. 0,16 ML, Heizrate 7,2 K/s. Zoom-pic Zoom-pdf

Es sind vier Desorptionszustände zu erkennen, die mit a, b1, b2 und b3 bezeichnet werden. Im tiefsten Temperaturbereich liegt der a-Zustand. Er bildet sich ab etwa 850 K aus. Alle Spektren des a-Zustandes laufen zunächst in einer gemeinsamen Anstiegsflanke. Die Maxima der einzelnen Zustände liegen zwar nicht in der gemeinsamen Flanke. Da dieser Effekt jedoch aus dem Einfluß des b1-Zustandes resultiert, entspricht die Spektrenform des a-Zustandes trotzdem einer nullten Desorptionsordnung. (Bei genügend großen Anfangsbedeckungsgraden würde dieser Umstand klar zu erkennen sein, da hier die b-Zustände nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.) Im Gegensatz zu den b-Zuständen ist beim a-Zustand kein Sättigungsverhalten zu bemerken.

Aus den TD-Spektren wurden die dazugehörigen layer plots berechnet, vgl. Kap. A 4.3. Diese sind in Abb. C 13 b den TD-Spektren gegenübergestellt. Der Verlauf der a-TD-Pfade, die alle bei den jeweils höchsten (den Anfangs-) Bedeckungsgraden beginnen, ist zunächst linear. Diese Linearität ist dem gemeinsamen exponentiellen Anstieg der TD-Spektren zuzuordnen und wird erst durch den b1-Zustand aufgehoben. Der hier beobachtete Verlauf ist ein weiteres Indiz für eine Desorption nullter Ordnung.

Dies reflektiert klar eine Desorption aus einem unerschöpflichen Reservoir von Teilchen, wie es bei der Sublimation eines Stoffes allgemein der Fall ist. Unter solchen Voraussetzungen sollte sich nach Gleichung (C1) die Desorptionsenergie, die hier mit der Sublimationsenthalpie zu identifizieren ist, aus der Steigung des Arrhenius-plots der beobachteten Exponentialkurve berechnen lassen. Man geht dazu von der liniearisierten Form der Darstellung der TD-Spektren aus (vgl. Abb. A 17) und erhält für den a-Zustand einen Wert von 282 kJ/mol. Die Literaturwerte für die Sublimationsenthalpie des Silbers sind 284,9 kJ/mol [www_01] sowie 275,1 kJ/mol [LPS00/1] und stimmen mit dem aus den Meßdaten berechneten Wert sehr gut überein.

Bei einem Anfangsbedeckungsgrad von 4 ML liegt das Maximum des a-Zustandes bei 990 K und 3 ML und ist damit nur um 5 K gegen das des b1-Zustandes verschoben. (Von Schlatterbeck wurde mit einer Heizrate von 2,5 K/s ein Wert von 925 K gemessen [Sch98/d].) Das a-Maximum ist nur als Schulter des b1-Zustandes erkennbar, die allerdings insbesondere im Vergleich mit den Spektren der Systeme Cu/Re(0001) (vgl. Abb. C 1) und Au/Re(0001) (vgl. Abb. C 23) klar definiert ist. Es drängt sich die Frage auf, ob der a-Zustand nicht aus einer Vielzahl von einzelnen Zuständen aufgebaut ist, die nicht weiter aufgelöst werden können. Eine solche Filmmorphologie (etwa ein geordnetes, lagenweises Wachstum) ist nicht nur wahrscheinlich, sondern wurde bereits von Schlatterbeck und Parschau beobachtet [Sch98/d, PSC97/1, SPC98/1]. Dies widerspricht nicht einer Desorption in der Art einer Sublimation, da die einzelnen Zustände alle energetisch gleichwertig wären. Auch bei geringerer Heizrate lassen sich keine weiteren Zustände (etwa zwischen dem a- und dem b1-Zustand) auflösen, was auch Schlatterbeck gefunden hat [Sch98/d, SPC98/1].

Es lassen sich deutlich drei b-Zustände unterscheiden und gegeneinander abgrenzen. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie bei einem partiellen Bedeckungsgrad von 1 ML sättigen (b1 bei 3 ML, b2 bei 2 ML und b1 bei 1 ML). (Die Sättigung des b3-Zustandes wird als Normierungswert für die Monolagendefinition benutzt.) Die b-Zustände werden separierbaren Lagen zugeordnet. Der b1-Zustand, der dem a-Zustand sehr ähnlich ist, zeichnet sich durch eine gemeinsame HT-Anstiegsflanke aus, die bei etwa 870 K beginnt. Das Maximum des TD-Spektrums mit einem Anfangsbedeckungsgrad von 3 ML liegt bei 985 K und 2 ML. Spektren gleicher Form wurden auch für Ag/Ru(0001) [NOM87/1, SRH94/2, MiW98/1, MON88/1], für Ag/W(110) [BBP75/1] und für Cu/Mo(110) [PaB87/2] beobachtet.

Die TD-Zustände b2 und b3 wurden genauer untersucht. Dazu wurden vier TD-Serien zu unterschiedlichen Heizraten (4,1 K/s; 7,2 K/s; 26,9 K/s und 51,8 K/s) mit sehr geringer Schrittweite des Anfangsbedeckungsgrades (ca. 0,03 ML) aufgenommen, von denen drei in Abb. C 14 dargestellt sind. Durch die Variation der Heizrate gelang es, die Desorptionstemperatur um bis zu 90 K zu verschieben. Die genauen Daten der TD-Maxima sind in folgender Tabelle gegeben:

  b2 b3
b [K/s] Tmax [K] Qmax [ML] Tmax [K] Qmax [ML]
4,1 990 1,25 1050 0,32
7,2 1000 1,25 1060 0,28
26,9 1040 1,25 1110 0,32
51,8 1050 1,22 1140 0,31

Die von Schlatterbeck mit einer Heizrate von 2,5 K/s bestimmten Werte sind 930 K für den b2- und 990 K für den b3-Zustand [Sch98/d, SPC98/1]. Diese gliedern sich gut in die Abfolge nach den Heizraten ein. Andere Literaturwerte sind im Anhang zu finden.

Abbildung C14
Abbildung C14  TD-Spektren und dazu gehörige layer plots des Systems Ag/Re(0001) für Anfangsbedeckungsgrade bis etwa 2 ML. Heizraten b = 4,1; 7,2; 26,9 K/s. Zoom-pic Zoom-pdf

Wie in Abb. C 14 zu sehen ist, kommt es bei beiden Zuständen aller Serien zur Ausbildung einer gemeinsamen Anstiegsflanke auf der Tieftemperaturseite des jeweiligen Zustandes. (Auch bei der nicht abgebildeten Serie mit 51,8 K/s ist dieser Effekt zu beobachten.) Spektren mit einem Anfangsbedeckungsgrad > 0,15 ML haben bis zur Temperatur TG den gleichen Verlauf in der gemeinsamen Anstiegsflanke. Danach wird die Flanke zu höheren Temperaturen verlassen. Etwa 5 K nach dem Verlassen der Flanke durchlaufen die b2- und b3-Spektren mit 4,1 und 7,2 K/s ihr jeweiliges Maximum und fallen schnell auf Null ab (b3) bzw. gehen in den b 3-Zustand über (b2). Die b3-Spektren der Serien mit 26,9 und 51,8 K/s benötigen etwa 10 K, um nach Verlassen der Anstiegsflanke ihr Maximum zu durchlaufen.

Der Verlauf der Spektren in der gemeinsamen Anstiegsflanke kennzeichnet auch hier eine Desorptionsordnung von Null. Diese resultiert aber nicht aus der Sublimation der Adspezies, sondern aus der zweidimensionalen Verdampfung, also einem 2D-Phasenübergang. Dieser Prozeß wird in Kap. A 3.3 beschrieben und ist als eine schnelle Reaktion der eigentlichen Desorption vorgelagert. Das Phasengleichgewicht hält die Konzentration der desorbierenden Adatome konstant, allerdings nur so lange, wie das 2D-Phasengleichgewicht eingestellt bleibt. Dies drückt sich in der Ausbildung der gemeinsamen Anstiegsflanke aus.

Das Gebiet des Phasengleichgewichtes (Q; T) ist in erster Näherung symmetrisch und bei 0 K, 0 ML und 1 ML sowie bei der kritischen Temperatur Tc und 0,5 ML begrenzt, vgl. Abb. A 12. Besonders die Ag-Desorptionspfade der Serie zu hohen Temperaturen verlassen das Gleichgewichtsgebiet bereits zu einem relativ frühen Zeitpunkt, was sich in den TD-Spektren durch die Verschiebung des Temperaturmaximums von der gemeinsamen Anstiegsflanke dokumentiert. (In Kap. 5 wird näher auf diese Zusammenhänge eingegangen, insbesondere auf die Beziehung zwischen TG und Tc.)

Für Spektren mit Q0 < 0,15 ML liegen die Temperaturmaxima innerhalb der Serien übereinander, und zwar bei 1020 K (4,1 K/s), 1025 K (7,2 K/s), 1075 K (26,9 K/s und 51,8 K/s). In diesem Bedeckungsgradbereich ist keine gemeinsame Flankenbildung zu beobachten, und die Desorptionsordnung ist nicht Null. Vielmehr kann man aus dem konstanten Wert von Tmax auf eine Desorptionsordnung von n = 1 schließen. Die Spektrenform des b2-Zustandes deutet darauf hin, daß es hier zu Prozessen kommt, die denen des b3-Zustandes entsprechen.

Die Form der layer plots gleicht sich für alle drei (vier) Spektrenserien, s. Abb. C 14. Alle TD-Pfade mit Q0 > 0,15 ML zeigen zunächst (von Q0 her) einen linearen Verlauf. Nachdem das jeweilige Maximum überschritten ist, fallen sie schnell auf Null ab. Bemerkenswert ist, daß die Maxima auf einer Linie liegen, die die Bedeckungsgradachse bei 0,15 ML schneidet. Diese Linie kann der Phasengrenze der zweidimensionalen Verdampfung zugeordnet werden und demzufolge der lineare Verlauf im Bereich davor der Desorption aus dem Phasengleichgewichtsgebiet. Der Bereich auf der anderen Seite der Phasengrenze sowie die TD-Pfade mit Q0 < 0,15 ML gehören zur Desorption aus dem Einphasengebiet.

Das Minimum zwischen dem b2- und dem b3-Zustand verschiebt sich mit zunehmendem Anfangsbedeckungsgrad zu kleineren Bedeckungsgraden. Dies ist zum großen Teil die Folge der starken Überlappung der beiden Zustände. Schlatterbeck fand in seinen Untersuchungen Unstetigkeiten in dieser Verschiebung und schrieb sie der Dekompression der ersten ps-Adsorbatlage in eine cp-Lage beim Aufbau der zweiten Adlage zu [Sch98/d]. Eine solche Unstetigkeit ist hier zumindest nicht auffällig. Eventuell könnte man für die TD-Serie mit 4,1 K/s einen solchen Effekt konstatieren.

Auf jeden Fall ist aber festzustellen, daß der b3-Zustand für Anfangsbedeckungsgrade im Bereich 1 ML < Q0 <1,25 ML weiter anwächst. Dies kann als Zeichen des o. a. und schon von Schlatterbeck beschriebenen Vorgangs der gleichzeitigen Desorption aus den b3- und b2-Zuständen gewertet werden.

Wie in Kap. A 4.4 dargelegt, wurden aus den TD-Spektren Desorptionsisothermen berechnet. Diese sind in Abb. C 15 für die b3-Zustände der TD-Serien mit 4,1; 7,2 und 26,9 K/s dargestellt. Der Verlauf der Tieftemperaturisothermen aller Spektrenserien ist ab etwa 0,2 ML als horizontal zu bezeichnen. Für höhere Temperaturen (etwa 50 K vor dem Temperaturmaximum des jeweiligen Zustandes) und für Q < 0,2 ML zeigen die Isothermen eine positive Steigung bzw. gar keinen linearen Verlauf mehr. Die Form der Isothermen bestätigt die Annahme, daß bei der Desorption die Lage der Phasengrenze (Abb. A 12) einen entscheidenden Einfluß auf die Oberflächenprozesse nimmt.

Abbildung C15
Abbildung C15  Desorptionsisothermen des Systems Ag/Re(0001) für den b3-Zustand aus den TD-Serien mit 4,1; 7,2 und 26,9 K/s. Zoom-pic Zoom-pdf

Stellt man die Desorptionsisothermen doppelt logarithmisch als order plots dar, so ergibt sich nach Gl. (A77) für die (annähernd) horizontalen Bereiche eine Desorptionsordnung von n = 0 und den restlichen Kurvenverlauf von n = 1. Auch für den b2- und den b1-Zustand ergibt sich ein Kurvenverlauf, der dem des b3-Zustandes gleicht. Die einzelnen b-Zustände sind in den order plots durch Bereiche eines starken Anstieges voneinander getrennt. Diese Bereiche haben keinen physikalischen Hintergrund; sie resultieren aus dem Übergang von einer Adlage zur nächsten.

Auch die Desorptionsisothermen des a-Zustand sind durch einen horizontalen Verlauf gekennzeichnet. Es treten im gesamten Bedeckungsgradbereich keine weiteren Steigungswechsel auf, was die Desorptionsordnung von n = 0 sowie die Homogenität des zugehörigen Films bestätigt.

 

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2.1.2. Desorptionsenergie

Um weitere Informationen über Bindungsverhältnisse der Silberatome zur Rheniumoberfläche zu erhalten, wurde das numerische Verfahren nach Schlatterbeck [Sch98/d] auf die TD-Spektrenserien angewendet. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, Aussagen über die Bedeckungsgrad- und evtl. Temperaturabhängigkeit der Desorptionsenergie zu tätigen sowie Systemparameter zu bestimmen.

Alle Spektren einer TD-Serie tragen dabei mit zur Bestimmung der Desorptionsenergie bei einem bestimmten Bedeckungsgrad bei. Deren Berechnung läuft nach dem durchgeführten Verfahren über Lebenszeitisosteren. Ebenso gut ist die energetische Auswertung auch über die Desorptionsisosteren (eine Darstellung der Desorptionsrate bei festgehaltenem Bedeckungsgrad) möglich. Da es darum geht, die exponentiellen (Arrhenius-) Parameter auszuwerten, sind in Abb. C 16 die Arrhenius-plots für die TD-Serien mit 4,1; 7,2 und 26,9 K/s dargestellt.

Abbildung C16
Abbildung C16  Arrhenius-plots des Systems Ag/Re(0001) für den b2- und den b3-Zustand aus TD-Serien mit 4,1; 7,2 und 26,9 K/s. Zoom-pic Zoom-pdf

Allen drei Spektrenserien ist gemein, daß die Arrhenius-plots tatsächlich einen relativ linearen Verlauf haben. Wie in Kap. A 4.5 beschrieben, sind Knicke in den Arrhenius-plots ein Hinweis für eine zweidimensionale Verdampfung. Daß solche Knicke hier nur in sehr begrenztem Umfang auftreten, kann daraus resultieren, daß die Desorption aus einem Temperaturbereich unterhalb der kritischen Temperatur des zugehörigen Phasendiagramms (Abb. A 12), also aus dem Gleichgewichtsgebiet verläuft.

In den Bereichen zwischen 0,2 und 0,85 ML fallen die Graphen sogar zusammen, ebenso für die Serie mit 4,1 K/s ab 1,4 ML, mit 7,2 K/s ab 1,35 ML und mit 26,9 K/s ab 1,2 ML. In diesen Bereichen sollte die Desorptionsenergie relativ konstant sein. Die Bereiche mit Q < 0,2 ML sind dadurch gekennzeichnet, daß die Arrhenius-plots weiter voneinander getrennt liegen und unterschiedliche Steigungen haben. Im Bereich zwischen den beiden Gebieten mit einem gemeinsamen Verlauf befinden sich Isosteren mit Bedeckungsgraden von etwa 0,2 ML oberhalb und unterhalb von 1 ML, was seine Ursache im Weiterwachsen des b3-Zustandes für Q0 > 1 ML haben könnte.

Der Anstieg der Arrhenius-plots ist nach Gleichung (A75) bzw. (A76) proportional zur Desorptionsenergie. Diese wurde demzufolge für die TD-Serien mit 4,1; 7,2 und 26,9 K/s als Funktion des Bedeckungsgrades ermittelt und ist in Abb. C 17dargestellt.

Der Bereich bis 0,25 ML ist durch einen gemeinsamen Verlauf aller Edes-Werte und einen leichten Anstieg von 260 kJ/mol auf 290 kJ/mol gekennzeichnet. Ursache dafür ist, daß die Adatome (die in diesem Bedeckungsgradbereich aus dem Einphasengebiet der zweidimensionalen Verdampfung desorbieren) mit größer werdendem Bedeckungsgrad stärker koordiniert sind und mehr attraktive Bindungen ausbilden können. Schlatterbeck gibt für Edes(0 ML) einen Wert von 250 kJ/mol an [Sch98/d, SPC97/1].

Abbildung C17
Abbildung C17  Desorptionsenergie des Systems Ag/Re(0001) nach BAUER für die TD-Spektren zu unterschiedlichen Heizraten aus Abb. C 14. Zoom-pic Zoom-pdf

Im Bereich von 0,25 ML bis 0,75 ML liegt die Desorptionsenergie für alle drei TD-Serien etwa bei einem konstanten Wert von 290 kJ/mol. (In der Arbeit von Schlatterbeck wird ein Wert von 293 kJ/mol angegeben.) Dieser relativ konstante Verlauf kennzeichnet die Desorption aus dem schon o. a. zweidimensionalen Phasengleichgewicht, wo die Konzentration der desorbierenden Teilchen konstant bleibt, vgl. Kap. A 3.3. Der trotzdem zu verzeichnende leichte Abfall der Desorptionsenergie bei den Serien mit 4,1 und 7,2 K/s sowie der leichte Anstieg für die Serie mit 26,9 K/s deutet an, daß insbesondere bei der Serie mit der hohen Heizrate der Desorptionsbereich nahe an der kritischen Temperatur des 2D-Phasenüberganges liegt.

Der Verlauf der Desorptionsenergie von 0 bis 0,75 ML stimmt qualitativ mit äquivalenten Systemen, wie Ag/Ru(0001) [NDM87/1, NDM88/1], Ag/W(110) [KoB86/1, BBP75/1] und Ag/Mo(110) [PaB87/2] überein, s. Literaturtabelle im Anhang.

Im Bereich von 0,75 ML bis 1 ML steigt die Desorptionsenergie bei allen drei Serien wieder etwas an. Bei den Serien mit kleinerer Heizrate erreicht sie erneut einen Wert von 290 kJ/mol, bei der Serie mit 26,9 K/s einen Wert von 350 kJ/mol. Der geringe Anstieg im ersten Fall kann durchaus als Schwankung in einem allgemein konstanten Verlauf von 0,25 ML bis 1 ML gewertet werden, den auch Schlatterbeck gefunden hat und der auch für Ag/W(110) beschrieben wurde [KoB86/1]. Der doch deutliche Anstieg der Desorptionsenergie im zweiten Fall hingegen könnte ein Anzeichen für den Übergang ins Einphasengebiet während der Desorption sein. Dagegen spricht allerdings der lineare Verlauf der Arrhenius-plots aus Abb. C 16. Es kann sich aber auch um ein Indiz für den Übergang zur Desorption aus der zweiten Adlage handeln. Ein Absinken der Desorptionsenergie im Bereich von 1 ML wurde bei den Systemen Ag/Ru(0001) [NDM87/1], Ag/W(110) [BBP75/1] und Ag/Mo(119) [BaB87/2] gefunden und Interlagenwechselwirkungen zugeschrieben.

Der anfängliche Bereich des Verlaufes der Desorptionsenergie von 1 ML bis 2 ML ist durch die Ausbildung eines Minimums bei etwa 1,2 ML gekennzeichnet. Dies könnte, äquivalent zu dem Verlauf der Cu-Desorptionsenergie bei etwa 0,8 ML (Kap. 1.1.2), auf einem ps-cp-Übergang basieren, der sich allerdings hier erst bei der Auffüllung der zweiten Lage ausbildet. Dieser Übergang wurde auch von Schlatterbeck und Parschau gefunden [Sch98/d, SPC97/1, PSC97/1].

Der weitere Verlauf der Desorptionsenergie ist bei einem Wert von 300 kJ/mol als relativ konstant anzusehen. Die Werte von Schlatterbeck sind 250 kJ/mol bei 1 bis 1,5 ML und 273 kJ/mol bei 2 ML [Sch98/d, SPC97/1]. Es kann gemutmaßt werden, daß sich auch innerhalb der zweiten Adlage ein zweidimensionales Phasengleichgewicht einstellt, das den konstanten Verlauf bedingt.

Abbildung C18
Abbildung C18  Desorptionsenergie des Systems Ag/Re(0001) nach BAUER für den b1- und für den a-Zustand Zoom-pic Zoom-pdf

Der experimentelle Literaturwert für die Desorption der Multilagen von 273 kJ/mol [Sch98/d, SPC97/1] konnte mit einem Wert von 270 ± 10 kJ/mol reproduziert werden. Der Verlauf der Desorptionsenergie im Bereich ab 2 ML ist durch diese Konstante gekennzeichnet, vgl. Abb. C 18. Es wurde ungefähr das Ergebnis der Auswertung der Arrheniusparameter der Anstiegsflanke des a-Zustandes von 282 kJ/mol erhalten, das ja der Sublimationsenthalpie des Silbers entspricht (275,1 kJ/mol bzw. 284,9kJ/mol [LPS00/1, www_01]).

 

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2.2. Beugung langsamer Elektronen

Bei den LEED-Untersuchungen am System Ag/Re(0001) kam es darauf an herauszufinden, in welcher Weise und bei welchem Bedeckungsgrad die Adlage relaxiert, und zumindest teilweise einen dicht gepackten (cp-) Film ausbildet. Ein pseudomorpher (ps-) Ag-Film wäre auf der Re(0001)-Oberfläche stark gespannt, was aus dem positiven misfit von 5,4 % herrührt. Gleichzeitig ist interessant, ob sich die Annahme aus den TD-Untersuchungen bestätigen läßt, daß der Ag-Film lagenweise bis weit in den Multilagenbereich wächst.

Ag-Filme bis zu einem Bedeckungsgrad von 1 ML erzeugen auf der Re-Oberfläche im gesamten Temperaturbereich der Messungen keine Überstrukturen zu den Re-Grundgitterreflexen, sondern erhöhen nur etwas den Untergrund. Dies wurde auch von Parschau und Schlatterbeck für das System Ag/Re(0001) gefunden [PSC97/1, Sch98/d], wie auch von Röder et al. für das System Ag/Pt(111) [RBB97/1]. Offenbar kommt es im Submonolagenbereich des Systems Ag/Re(0001) entweder zur Ausbildung von einem sehr ungeordneten Film, der etwa aus (für die Bildung von Überstrukturreflexen zu) kleinen Inseln besteht, oder zum Wachstum eines sehr geordneten ps-Films, der natürlich eine (1 x 1)-LEED-Struktur erzeugt. Beim System Ag/Ru(0001) wurden allerdings im Submonolagenbereich schon hexagonale Überstrukturen gefunden: (14 x 14)R30° [KPS91/1, Par88/1] und (12 x 12) [KRS86/1].

Silberfilme auf der Re(0001)-Oberfläche zeigen in einem Bedeckungsgradbereich von 1 ML bis etwa 13 ML bei Raumtemperatur hexagonale Überstrukturen, die beim Erhitzen der Probe auf 700 K schärfer werden. Die Elementarzelle dieser Überstrukturen hat entweder die gleiche Orientierung wie das Grundgitter oder ist um 30° gegen dieses verdreht. Eine repräsentative Auswahl der beobachteten Überstrukturen ist in Abb. C 19 dargestellt.

Abbildung C19a Abbildung C19b Abbildung C19c
Abbildung C19  LEED-Bilder von HT-Filmen des Systems Ag/Re(0001): a) 2,6 ML-(19 x 19), 132 eV; b) 3,1 ML-(15 x 1)R30°, 132 eV; c) 3,2 ML-(19 x 19)R30°, 50 eV, nur Überstruktur am (0;-1)-Reflex) (a und b invertiert, c ori-ginal, invertiert, als Relief und stilisiert) Zoom-pic Zoom-pic Zoom-pic
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Die Ausbildung der Überstrukturreflexe ist Zeichen dafür, daß sich auf der Oberfläche große Inseln ausgebildet haben, die als Strukturmerkmal eine ein- oder zweidimensionale Periodizität besitzen, die ein Vielfaches des Re-Atomabstandes beträgt.

In Abb. C 19 a hat diese Periodizität etwa die Größe von 19 Re-Atomen. In dem LEED-Bild des 2,6 ML-Films sind nur Überstrukturreflexe der ersten Ordnung sichtbar, die nicht gegen das Grundgitter rotiert sind. Parschau et al. fanden durch STM-Untersuchungen am gleichen System Adsorbatstrukturen für 3 bis 4 ML dicke Filme, die eine Periodizität von 18 Re-Atomabständen aufwiesen [PSC97/1]. Sie bezeichneten diese als Moiré-Strukturen, obwohl sie die gleiche Form haben, wie die von ihm für 2 ML-RT-Filme gefundenen dreieckigen Dislokations- (dl-) Strukturen. Letztlich könnte das LEED-Bild auch auf uniaxiale cp-induzierte Strukturen hinweisen, mit einem Radienverhältnis von Ag:Re = 19:18.

In Abb. C 19 b ist das LEED-Bild für einen 3,1 ML-Film dargestellt. Es sind um 30° rotierte Überstrukturreflexe der ersten Ordnung sichtbar. Solche Strukturen kennzeichnen allgemein das Auftreten von uniaxialen Korrugationen der Oberfläche, wobei es zur Überlagerung der Signale von drei um 120° gegeneinander verdrehten Domänen der Adlage kommt. Die Überstrukturreflexe besitzen eine Periodizität von 15 Re-Atomabständen, was mit dem o. a. Radienverhältnis nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Entweder ergibt sich also eine Wellung der Adlage, die unabhängig vom Radienverhältnis des Systems ist, oder es handelt sich um eine zu Abb. C 19 c äquivalente Überstruktur, wo die Reflexe auf der unrotierten 0°-Position nicht erkennbar sind. Solch eine Anordnung der Adatome wird auch von Hwang et al. für das System Ag/Ru(0001) als (16 x 1) gefunden [HHS95/1, StH95/1], sowie von Röder et al. für das System Ag/Pt(111) [RBB97/1].

In Abb. C 19 c sind Überstrukturreflexe um den (0;-1)-Grundgitterreflex abgebildet, wie sie auch von Schlatterbeck für 2 bis 8 ML dicke Filme [Sch98/d] und Parschau für einen 2 ML dicken Film [PSC97/1] gefunden wurden. Sie werden als (19 x 19)R30° bezeichnet. Zusätzlich zu den nicht rotierten sind hier auch um 30° rotierte Reflexe sichtbar. Nach Ammer et al. sind solche Reflexe ein charakteristisches Zeichen für die Bildung von Moiré-Strukturen [AMW97/1].

Schlatterbeck [Sch98/d] und Parschau [PSC97/1] berichten über das Auftreten einer Re(1 x 1)+Ag(1 x 1)-Struktur für bei Raumtemperatur präparierte Filme. Diese konnte im Rahmen der hier durchgeführten Arbeiten nicht reproduziert werden. Bei sehr dicken Filmen (etwa ab 10 bis 15 ML) werden allerdings die Überstrukturreflexe langsam undeutlicher, und es bildet sich eine Ag(1 x 1)-Struktur aus. Diese Zuordnung resultiert aus der Tatsache, daß die beobachteten Reflexe einen um den Faktor 19/18 kleineren Abstand zueinander haben als die Re(1 x 1)-Reflexe, was dem Verhältnis der Atomabstände von Ag und Re entspricht.

Abbildung C20
Abbildung C20  LEED-(I,V)-Spektrum des (0,0)-Reflexes eines getemperten 13 ML-Ag-Films auf Re(0001) und Auftragung der Peaklagen über l2. Zoom-pic Zoom-pdf

Mittels qualitativer LEED-(I,V)-Untersuchungen sollten weitere Hinweise auf die Morphologie dicker Ag-Filme erhalten werden. In Abb. C 20 ist das zugehörige LEED-(I,V)-Spektrum eines getemperten 13 ML-Ag-Films abgebildet. Die Bragg-Maxima sind im Bereich kleiner Energien gut, im höheren Energiebereich weniger gut identifizierbar, was genaue Aussagen über die Homogenität des Films vehindert. Zur genaueren Auswertung wurden die Peaklagen in einer Darstellung der Energie über dem Quadrat der Beugungsordnung eingetragen (wobei die grünen horizontalen Linien die Hauptpeaklagen angeben). Wie in Kap. A 5.1.3 beschrieben, läßt sich nach Gl. (A87) aus dem Anstieg der Geraden, die die Schnittpunkte der Maximalagen mit den Ordnungsquadraten verbinden, der mittlere Lagenabstand des Films ermitteln. Der Anstieg, der sich für die reine Ag(111)-Fläche ergeben würde, ist im Diagramm schwarz eingetragen. Am Verlauf der blauen angepaßten Geraden erkennt man, daß sich offenbar ein mittlerer Lagenabstand eingestellt hat, der unterhalb des Ag(111)-Wertes von 408,4 pm liegt. Mit 355 pm erreicht er 87 % dessen, liegt aber immer noch deutlich über dem Atomabstand des Silbers von 288,9 pm. Offenbar ist der Film nicht vollständig geschlossen bzw. nicht glatt. Für das innere Potential ergibt sich ein Wert von -13 eV.

 

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2.3. Röntgenphotoelektronenspektroskopie

Um Informationen über elektronische Wechselwirkungen zwischen Adsorbat und Substrat, aber auch über weitere strukturelle Besonderheiten des Films zu erhalten, wurden XPS-Messungen an den 4d-Zuständen des Rheniums und an den 3d-Zuständen des Silbers durchgeführt (vgl. Kap. B 4.3.1). Dazu sind bei 500 K Ag-Filme präpariert worden, die nach erfolgter Messung auf 740 K erhitzt und nochmals vermessen wurden. Zuletzt wurde der dazugehörige Bedeckungsgrad mittels TDS ermittelt.

Trägt man die XP-Spektren einer Bedeckungsgradserie von bis zu 16 ML Ag übereinander auf, so sollten eventuelle Verschiebungen der energetischen Peaklagen sichtbar werden. Solche wurden jedoch nicht beobachtet. Auch Schlatterbeck hatte bei seinen Untersuchungen am gleichen System keine chemischen Verschiebungen beobachten können [Sch98/d, SPC97/1]. Die Konstanz der Peaklagen beruht auf der etwa gleichen Elektronendichte beider Stoffe, vgl. Kap. A 2.6.1 und weist darauf hin, daß die Ag-Adatome auf dem Re-Kristall in einer ähnlichen Art und Weise elektronische gebunden sind, wie auf einem Ag-Kristall.

Erwartungsgemäß steigt in der o. a. Auftragung mit zunehmenden Ag-Bedeckungsgrad die Intensität des Ag-Signals an, während es zu einem Absinken des Re-Signals kommt. Um die dabei auftretenden Besonderheiten genauer beurteilen zu können, wurden in Abb. C 21 die integrierten und normierten Peakintensitäten des Ag und des Re als Funktion des Bedeckungsgrades dargestellt. Zusätzlich wurde das Verhältnis der beiden Intensitäten berechnet und normiert den Intensitätskurven gegenübergestellt.

Abbildung C21
Abbildung C21  Normierte XP-Intensität des Re-4d3/2-, 4d5/2- und des Ag-3d3/2-, 3d5/2-Signals für bis zu 16 ML Ag/Re(0001) bei 500 K und 740 K, sowie das normierte Intensitätenverhältnis Ag/Re (Analysatorspannung 50 eV). Zoom-pic Zoom-pdf

Die Intensitätskurven für die HT- (740 K) und LT-Signale (500 K) des Ag und des Re verlaufen bis zu einem Bedeckungsgrad von 3 ML annähernd linear und sind jeweils fast identisch. Ab 3 ML wird ihr Verlauf allerdings flacher. Augenscheinlich ändert sich die Morphologie der Ag-Filme bis zu einer Schichtdicke von 3 ML nicht oder nur verschwindend wenig bei Temperaturänderungen, wie es bei der Ausbildung von Adsorbatlagen erwartet wird. Von ca. 4 ML an unterscheiden sich die HT- von den LT-Kurven dergestalt, daß das HT-Re- und das LT-Ag-Signal jeweils deutlich stärker ist. Bei diesen beiden Kurven ist auch der Effekt des Abknickens besonders stark entwickelt.

Das HT-Re-Signal hat bei 10 ML noch eine relative Intensität von 45 % gegenüber dem LT-Re-Signal mit nur 30 %. Offenbar dämpft der LT-Ag-Film die austretenden Re-XP-Elektronen stärker als der HT-Film. Dies kann davon herrühren, daß sich der Ag-Film, der für größere Bedeckungsgrade bei niedriger Temperatur relativ offen ist, bei erhöhten Temperaturen infolge von lateralen Diffusionsprozessen verdichtet. Das wurde für Ag/Re(0001) von Parschau [PSC97/1], für Ag/Pt(111) [RBB97/1], für Ag/W(110) [BPT77/1], für Ag/Mo(110) [PaB87/2] und für Ag/V(100) [VaM94/1] berichtet.

Anders verhält es sich mit der Temperaturabhängkeit der Ag-Signale vom Bedeckungsgrad. Bei 10 ML ist die Intensität des HT-Signals 72 %, des LT-Signal 82 %. Der Effekt der Streuung der aus unteren Adlagen stammenden XP-Elektronen wird hier offensichtlich durch einen zweiten Effekt, eventuell eine verringerte XP-Elektronen-Emitteraktivität des HT-Ag-Films, überschattet. Der Verlauf des Verhältnisses der HT-Ag-zu-Re-Intensitäten ist als linear zu bezeichnen, im Gegensatz zum Verhältnis der LT-Intensitäten. Letzteres knickt bei 5 ML ab und hat einen geringeren Anstieg.

Im Untersuchungsbereich scheint weder das Ag-Signal endgültig zu sättigen noch das Re-Signale auf Null zurückzugehen. Insbesondere die Intensität der Re-Signale der LT- und HT-Filme strebt bei höheren Bedeckungsgraden einem konstanten Grenzwert zu. Anscheinend können selbst bei 16 ML Ag noch genügend Re-XP-Elektronen den Adsorbatfilm durchdringen.

Der gesamte vorliegende Spektrenverlauf könnte eine Filmmorphologie widerspiegeln, die sowohl bei hohen als auch niederen Temperaturen aus relativ gut geschlossenen vier Lagen besteht, auf der dann aber offenere Lagen und/oder Kristallite aufwachsen, die sich beim Erhitzen verdichten.

 

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2.4. Änderung der Elektronenaustrittsarbeit

Messungen der Änderung der Elektronenaustrittsarbeit wurden vorgenommen, um Informationen über die Gestalt der Probenoberfläche und die elektronische Wechselwirkung von Silber und Rhenium zu erhalten. Es wurden bis zu 10 ML dicke Ag-Filme untersucht, die bei 500 K (LT) und nach dem Erhitzen auf 670 K (HT) vermessen wurden. Der Verlauf der DF-Kurven als Funktion des Bedeckungsgrades ist in Abb. C 22 dargestellt.

Der qualitative Verlauf der HT- und der LT-Kurven ist gleich: Im Bereich bis 2 ML kommt es zu einem steilen Abfall von DF. Nach dem Durchlaufen des Minimums (-800 meV für LT sowie -550 meV für HT) steigt F wieder an, und DF nähert sich bei hohen Bedeckungsgraden einem Sättigungswert von ca. -400 meV, der erstmals ab etwa 8 ML erreicht wird.

Die XPS-Untersuchungen suggerieren, daß zwischen Re und Ag wenn überhaupt nur ein verschwindend geringer Ladungstransfer auftritt. Infolgedessen sollte sich die Elektronenaustrittsarbeit einer Ag-Schicht auf dem Re nicht merklich von der einer (111)-Oberfläche eines Ag-Kristalls unterscheiden. Der Austrittsarbeitsunterschied läßt sich aus den Literaturwerten von 5,4 eV für Re [YAW00/1] und 4,3 eV [Moe68/1] bzw. 4,74 eV [Par88/1] berechnen. Es ergibt sich ein Wert von -660 bis -1100 meV. Der Endwert für 10 ML dicke Ag-Filme (LT: -350 meV; HT: -450 meV erreicht diesen Wert nicht, auch nicht den von Schlatterbeck bestimmten von -750 meV [Sch98/d, SPC98/1].

Auf Grund der (erhöhten) Oberflächendiffusion von Atomen und/oder clustern bei erhöhten Temperaturen kommt es bereits bei der reinen Re-Oberfläche zu einer Erniedrigung von DF um etwa 100 meV, vgl. auch Kap. 1.5. (Auch bzw. gerade Silber sollte bereits bei LT sehr mobil sein: Für Ag-Atome in der dritten Lage des Systems Ag/W(110) konnte eine Diffusionsenergie von 14,7 kJ/mol durch STM-Messungen bestimmt werden [JMN90/1], was einer Grenztemperatur von 69 K entspricht.)

Dieser Unterschied zwischen HT- und LT-Kurve ist über den gesamten Bedeckungsgradbereich zu beobachten, was darauf schließen läßt, daß dickere Ag-Schichten aus relativ glatten Lagen bestehen, auf denen es zur Oberflächendiffusion kommt. Bei Q = 1 ML, 2 ML und 3 ML sind besonders in der HT-Kurve Steigungswechsel zu beobachten. Solch ein Wechsel bei 1 ML wird auch für Ag/W(110) von Feydt et al. [FEE01/1] und Bauer et al. [BPT77/1] angegeben. Diese können dem Abschluß der jeweiligen Lagen zugeordnet werden, wo die Austrittsarbeit wegen der sich hier ausbildenden geschlossenen und damit glatten Oberfläche größer wird.

Abbildung C22
Abbildung C22  DF-Kurven für bis zu 10 ML dicke Filme Ag/Re(0001) bei 500 K und nach dem Er-hitzen auf 670 K, bestimmt mit der Kelvinmethode. Zoom-pic Zoom-pdf

Auch Schlatterbeck findet eine Erniedrigung der Austrittsarbeit um 750 meV bis zu einem Bedeckungsgrad von 2 ML bei 300 bis 740 K [Sch98/d, SPC98/1]. Dabei ist die Austrittsarbeit des HT-Films ebenfalls geringer als die des LT-Films. Die dabei auftretenden Steigungswechsel schreibt auch er der Verdichtung der Oberfläche in Folge des Abschlusses der Lage bzw. dem Übergang von 2D-Gasteilchen in Oberflächeninseln zu. Im Bedeckungsgradbereich von 2 bis 4 ML bleiben bei seinen Ergebnissen die HT- und LT-Kurven jedoch auf diesem Wert. In den Messungen von Bauer et al. am System Ag/W(110) bei 300 und 500 K zeigt sich bis Q = 2 ML der gleiche Verlauf, danach ist ein Anstieg auf ca. -600 meV zu beobachten [BPT77/1].

Die Frage nach der Ursache der Ausbildung des breiten Minimums bei 2 ML muß auch hier, wie schon beim System Cu/Re(0001), unbeantwortet bleiben. Fraglich ist zum einen, ob überhaupt der Effekt des Abfalls der Austrittsarbeit in diesem Zusammenhang entscheidend ist, oder ob nicht etwa das erneute Ansteigen der Austrittsarbeit über den Literaturwert für den reinen Ag-Kristall hinaus zu klären wäre. Zum anderen hat die Bildung des Minimums nicht oder nur bedingt etwas mit dem Übergang vom Lagenwachstum zum Aufwachsen von zweidimensionalen Kristalliten zu tun. Dieser Punkt wäre beim Ag/Re erst, wenn überhaupt, bei 3 ML erreicht.

 

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