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6. Kapitel C6 - Überblick: Cu, Ag und Au auf Re-Oberflächen

Im folgenden soll zusammenfassend diskutiert werden, wie sich die Gestalt und die Eigenschaften der betrachteten Systeme darstellen, die sich durch die Präparation der Münzmetalle Cu, Ag, Au auf der glatten und gestuften Re(0001)-Oberfläche ergeben. Ein gewisser Teil der Diskussion der Daten ist an den entsprechenden Stellen der Einzelergebnisse bereits mit eingeflossen. Trotzdem bzw. gerade durch vergleichende Betrachtungen und Systematisierung der Ergebnisse der äquivalent durchgeführten Messungen an den Münzmetallsystemen können weitere Erkenntnisse gewonnen, gewichtet und gedeutet werden.

In drei Unterkapiteln soll zunächst das Wachstum und die sich daraus ergebene Struktur der verschiedenen Filme beschrieben werden. Danach wird auf die elektronischen Eigenschaften der Systeme eingegangen und abschließend werden thermodynamische und kinetische Aspekte dargestellt. Beim Vergleich mit den Literaturdaten soll insbesondere herausgearbeitet werden, daß sich die Systeme Cu;Ag;Au/Re(0001) und Cu;Ag;Au/Ru(0001) in vielfältiger Hinsicht ähnlich verhalten. Dies geschieht auch im Hinblick auf die Diskussion der Daten der CuAg- und AuAg-Legierungsbildung auf der Re(0001)-Oberfläche in Teil D.

Ein Parameter, der anscheinend besonders starken Einfluß auf die Form und das Verhalten der Metallfilme hat, ist der Gitter-misfit zwischen Adsorbat und Substrat, vgl. Kap. A 2.3.1. In Gl. (A1) wird er als der Unterschied von Adsorbat- zu Substratgitterparameter, bezogen auf den Substratgitterparameter beschrieben. Der Gitter-misfit ist einfach zu erhalten und gut vergleichbar und wird deshalb oft in der Literatur verwendet. Allerdings spiegelt er die durch die Unterschiede in den Gitterkonstanten hervorgerufenen Wechselwirkungen nicht vollständig wider.

Einerseits wirkt sich, wenn man die Wechselwirkungen in der Adsorbatebene betrachtet, der misfit nicht ein- sondern zweidimensional, wenn nicht sogar dreidimensional aus. Die Spannungen und evtl. auch die misfit-Unterschiede zwischen den einzelnen Systemen werden also besser durch den 2D-misfit beschrieben, der folgendermaßen definiert wird:

2D- f Substrat Adsorbat = 1 ρ Ads 2D 1 ρ Sub 2D 1 ρ Sub 2D = ρ Sub 2D ρ Ads 2D 1 (C6)

Dabei ist ρ Ads 2D bzw. ρ Sub 2D die Flächendichte von Adsorbat bzw. Substrat, die sowohl die Gitterparameter als auch die Flächensymmetrie berücksichtigt.

Andererseits verändert sich der misfit mit der Temperatur. Wegen der unterschiedlichen thermischen Ausdehnung der Münzmetalle in bezug auf die häufig als Substrat verwendeten Übergangsmetalle kommt es zu mechanischen Spannungen bei der Erwärmung, was den misfit der einzelnen Systeme aber auch den misfit-Unterschied zwischen den einzelnen Systemen beeinflußt. Deswegen scheint es nützlich, Zahlenwerte für den misfit der hier interessierenden Systeme, die aus den in Kap. A 1.5 angegebenen Gitterparametern berechnet wurden, tabellarisch darzustellen.

misfit [%] Re(0001) Ru(0001) W(110) Mo(110)
Cu Ag Au Cu Ag Au Cu Ag Au Cu Ag Au
1D- f(RT) -6,75 +5,40 +5,21 -3,55 +9,02 +8,83 -6,75 +5,40 +5,21 -6,20 +6,02 +5,83
1D- f(1000K) -5,53 +7,35 +6,44 -2,10 +11,0 +10,1 -5,12 +7,61 +6,70 -4,60 +8,20 +7,28
2D- f hcp fcc (RT) -13,0 +11,6 +10,8 -7,34 +18,8 +18,0 - - - - - -
2D- f bcc fcc (RT) - - - - - - -20,3 +2,17 +1,43 -19,2 +3,62 +2,88
2D- f bcc bcc (RT) - - - - - - -13,0 +11,0 +10,2 -11,7 +12,6 +11,7

Aus der Tabelle kann man folgende Trends entnehmen:

 

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6.1. Struktur und Wachstum

Aus thermodynamischer Sicht lassen sich einige Vorhersagen über das Wachstum der Adsorbate treffen. In Kap. A 2.4 wurde beschrieben, wie die freien Oberflächenenergien das Wachstum bestimmen. Die Oberflächenenergiedifferenzen der verwendeten Adsorbate mit Re als Substrat betragen -1,8 J/m² für Cu, -2,4 J/m² für Ag und -2,1 J/m² für Gold. Demnach sollte es zur Ausbildung geschlossener Lagen kommen, wenn nicht die interface-Energie sI diese negativen Werte kompensiert.

Für die erste Lage ist letzteres oft (und wie die hier beschriebenen Messungen zeigten) nicht der Fall. Bei dickeren Schichten wird sI allerdings immer größer und auch die Differenz der Oberflächenenergien naturgemäß kleiner, so daß es nach wenigen Lagen zur Bildung von Kristalliten kommt. Aus den Segretations- und Mischungsenergien nach Norskov und Besenbacher [CRS97/1], vgl. Kap. A 2.5.1 läßt sich ableiten, daß es weder zu Segregations- noch zu Legierungsprozessen zwischen den Adsorbaten (Cu, Ag, Au) und dem Substrat (Re) kommt.

 

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6.1.1. Der Submonolagenbereich

Im Submonolagenbereich kann eine Vielzahl von unterschiedlich gebundenen Teilchen auftreten. Dies wird ganz entscheidend durch die Substratoberfläche bestimmt. Sie stellt einerseits verschiedene Adsorptionsplätze zur Verfügung, andererseits ermöglicht sie (zumindest in den untersuchten Fällen) zweidimensionale Prozesse (Phasenübergänge etc.).

Abbildung C48a Abbildung C48b
Abbildung C48  Ag-TDS bis zu 2 ML von gestuften Oberflächen a) experimentelle (diese Ar-beit, gestrichelte Linien) und simulierte [PLM02/1] (durchgezogene Linien) TDS des Systems Ag/Re(0001)-st, b) experimentelle TDS des Systems Ag/Ru( 10 1 ¯ 17 ) [SCP94/1]. Zoom-pic Zoom-pic
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Die beiden untersuchten Re-Oberflächen unterscheiden sich im Hinblick auf die vorhandenen Adsorptionsplätze enorm. Während auf Probe 1, der glatten Re(0001)-Oberfläche, s. Abb. B 3, fast ausschließlich die typischen hcp(0001)-Adsorptionsplätze zur Verfügung stehen, kommen bei Probe 2, der gestuften Re(0001)-st-Oberfläche, s. Abb. B 4, etwa 35 % Kantenplätze hinzu. Diese werden offenbar bevorzugt dekoriert. Dies zeigt sich zum einen in den STM-Aufnahmen (s. u.) als auch in den TDS, Abb. C 35 (Cu) und Abb. C 36 (Ag). Diese sind durch einen HT-Zustand b2b gekennzeichnet, der der Desorption von eben diesen Stufenkanten zuzuordnen ist. Ein zweiter Submonolagenzustand b2a gehört zur Desorption von den Terrassenplätzen. Die Form der Spektren beider Zustände unterscheidet sich deutlich von der, die bei der Desorption von der glatten Re(0001)-Oberfläche gemessen wurde oder auch allgemein glatten Übergangsmetalloberflächen zu erwarten ist, vgl. auch TDS-Literaturtabelle im Anhang und Abb. C 48).

In der Abbildung sind gemessene Ag-TDS der Systeme Ag/Re(0001)-st (a) und Ag/Ru( 10 1 ¯ 17 ) [SCP94/1] (b) einer Simulation von Kreuzer et al. [PLM02/1] (ebenfalls in a) gegenübergestellt, in der von einer Terrassenbreite von drei Adsorptionsplätzen ausgegangen wird. Der Wegfall breiter Terrassen dokumentiert sich hier, wie o. a., in der veränderten Peakform, vgl. Abb. C 14 mit Abb. C 39. Die höher koordinierten Kantenplätze rufen eine etwas höhere Bindungsenergie an das Substrat hervor (ca. 5 % in der Simulation in Abb. C 48 a).

Abbildung C49a Abbildung C49b
Abbildung C49  a) STM-Aufnahme von 0,44 ML Cu/Re(0001) bei RT (738 Å) [Wei01/1], b) STM-Aufnahme von 0,5 ML Cu/Ru(0001) bei RT (700 Å) [PSG91/1]. Zoom-pic Zoom-pic
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Nach der Dekoration der Kantenplätze kommt es bei den betrachteten Systemen auf den Terrassen zum Wachstum von Inseln, die sehr unterschiedliche Formen haben können. Auf Grund der verminderten Terrassenbreite der Re(0001)-st-Oberfläche können sich hier natürlich nur kleinere und eher eindimensional orientierte Inseln ausbilden. Auf der Re(0001)-Oberfläche hingegen entstehen größere Inseln. Diese sind beim Kupfer (auch für Cu/Ru(0001) [PSG91/1]) relativ kompakt, haben also glatte Ränder, s. Abb. C 49. (Reshöft et al. berichten allerdings auch von fraktalen Cu-Inseln auf der W(110)-Oberfläche [RJK99/1].)

Abbildung C50a Abbildung C50b
Abbildung C50  a) STM-Aufnahme des Systems 0,3 ML Ag/Re(0001) bei RT (12000 Å) [PSC97/1], b) STM-Aufnahme des Systems 0,8 ML Ag/Ru(0001) bei RT (400 Å) [HHS95/1] Zoom-pic Zoom-pic
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Sowohl bei der Re- als auch bei der Ru-Oberfläche sind große Cu-Inseln zu erkennen, die z. T., vor allem aber beim Re, dreieckige Formen aufweisen. Diese sind entlang der Vorzugsrichtungen der (0001)-Oberfläche des Re bzw. Ru ausgerichtet. Die Inselform ändert sich auch beim Erhitzen des Films nicht (oder wenig beim Cu/Ru(0001) [PSG91/1, HPB86/1]), was auf eine thermodynamisch günstige Anordnung hindeutet.

Beim Silber kommt es ebenfalls zur Ausbildung großer, relativ kompakter Inseln bzw. zum Wachstum poröser Filme, s. Abb. C 50. Diese Inseln sind zwar etwas offener als die Kupferinseln [PSC97/1], s. Abb. C 50 a, jedoch sind sie so ausgedehnt, daß es zur Ausbildung von Dislokationen auf der Ru(0001)-Oberfläche kommt [HHS95/1], s. Abb. C 50 b. Wie schon beim Kupfer, so ist auch hier sicherlich der unterschiedliche misfit (+5,40 % beim Re und +9,02 % beim Ru) dafür verantwortlich, daß der Film beim Ru relaxiert und beim Re nicht.

Abbildung C51a Abbildung C51b
Abbildung C51  a) STM-Aufnahme von 0,37 ML Au/Ru(0001) bei RT (930 Å), b) STM-Aufnahme von 0,37 ML Au/Ru(0001) bei HT (660 Å) [HSG91/1]. Zoom-pic Zoom-pic
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Das Wachstum des Goldes auf (0001)-Oberflächen von Re bzw. Ru unterscheidet sich stark von dem des Silbers und Kupfers. In Abb. C 51 a ist ein DLA-bestimmtes Wachstum dendritischer Inseln beim System Au/Ru(0001) zu erkennen [PSG91/1, HSG91/1, HGS92/1, GGK93/1]. Diese Struktur ist thermodynamisch nicht stabil. Es kommt daher beim Erhitzen der Probe zu einer Koagulation der Inseln, was zu einer kompakten Inselform führt [HSG91/1], s. Abb. C 51 b.

Diese Koagulation zeigt sich auch im Verlauf der HT- und LT-Kurven im DF, s. Abb. C 32. Während es beim Kupfer und beim Silber (Abb. C 12 und Abb. C 22) zu einer Erniedrigung der Elektronenaustrittsarbeit mit steigender Temperatur im Bereich der ersten Lage kommt, verlaufen die HT- und LT-Kurven des Au etwa gleich. Der Unterschied von etwa 100 meV beim Cu und Ag kann mit der größeren Beweglichkeit der Adatome bei erhöhten Temperaturen und damit verbundener Aufrauhung der Oberfläche erklärt werden. Die Inseln selbst sind, wie o. a., recht temperaturstabil. Beim Gold ist das anders. Dadurch, daß die Form der Au-Inseln mit steigender Temperatur kompakter wird, kommt es zu einer Erhöhung von DF. Diese Erhöhung kompensiert den Effekt der vermehrten Adteilchendiffusion (vgl. Kap 3.4).

Im LEED-Bild äußert sich das Inselwachstum für alle betrachteten Systeme durch ein Ansteigen des Untergrundes und dadurch, daß die p(1x1)-Grundgitterreflexe zusehends unscharf werden. Dieses Verhalten könnte entweder auf eine statistische Verteilung der Adteilchen auf der Oberfläche hindeuten oder daraus resultieren, daß die Größe der sich bildenden Inseln zu klein ist, um ein einheitliches LEED-Bild zu erhalten (also kleiner als etwa 100 Å im Durchmesser, vgl. Kap. A 5.1.2).Weiterhin könnte es sich auch bei den Inseln um pseudomorph angeordnete Adteilchen handeln. Die letzte Möglichkeit wird insbesondere durch die Kenntnis der STM-Aufnahmen wahrscheinlich.

Bei höherindizierten Substratoberflächen kommt es im Submonolagenbereich bereits zur Ausbildung von ferngeordneten Phasen mit verschiedenen LEED-Überstrukturreflexe, wie in Kap. 4.3 beschrieben. Dies resultiert aus der z. T. thermisch induzierten Anpassung des Adsorbatfilmes an die Substratoberfläche [Vol99/d].

 

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6.1.2. Lagenwachstum und der ps-cp-Übergang

Größtenteils ist die Anordnung der Adatome in den sämtlich zweidimensionalen Inseln, die sich bei den betrachteten Systemen im Submonolagenbereich ausbilden, pseudomorph, d. h., an der Struktur des Substrates orientiert. Dabei kommt es allerdings auf Grund des misfits zu Verspannungen innerhalb der Inseln. Die Adsorbat-Substrat-Wechselwirkung (Ads.-Substr.-WW.) scheint so stark zu sein, daß die Adsorbat-Adsorbat-Wechselwirkungen (Ads.-Ads.-WW.) in diesem Bereich nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Ab einem bestimmten Bedeckungsgrad jedoch dominieren die Ads.-Ads.-WW. über die Ads.-Substr.-WW., und es bildet sich zur Verringerung dieser Spannungen ein im Adsorbatgitterabstand (zumindest uniaxial) dicht gepackter Film aus. Dabei kommt es zu einer Umstrukturierung des pseudomorphen Films zu einer dicht gepackten, relaxierten Struktur. Dieser Prozeß ist ein Zeichen für die Überwindung dieses misfits in Form eines ps-cp-Übergangs.

So entstehen hexagonale Überstrukturen, die auf eine periodische Wellung der Oberfläche hinweisen. Der ps-cp-Übergang erfolgt bei um so kleineren Bedeckungsgraden, je größer der misfit ist. Die kleinste Periode dieser Wellung ist jeweils durch das kleinstes gemeinsames Vielfache von Anzahl der Substratatomen mit der Anzahl von Adsorbatatomen bestimmt, die miteinander in Übereinstimmung gebracht werden können.

Abbildung C52a Abbildung C52b
Abbildung C52  a) STM-Aufnahme des Systems 1,5 ML Cu/Re(0001) bei HT (596 Å) [Wei01/s], b) STM-Aufnahme des Systems 3 ML Cu/Ru(0001) bei LT (1720 Å x 1420 Å) [GVH95/1], zweite (oben), dritte (mitte) und vierte Lage (links unten) sichtbar. Zoom-pic Zoom-pic
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Beim System Cu/Re(0001) bildet sich bei 0,8 ML die cp-Phase aus. Damit ist eine Relaxation der ursprünglich expandierten pseudomorphen ersten Adlage verbunden. Es kommt zur Entstehung einer uniaxialen Wellung der Oberfläche, wie Weingart mittels STM beobachtet hat. Dies ist in Abb. C 52 a für einen 1,5 ML-Film dargestellt. Im LEED-Bild dokumentiert sich das durch die Ausbildung hexagonaler Satelliten um die Grundgitterreflexe (vgl. Abb. C 8 a), die entlang der ( 10 1 ¯ 0 )-Richtung deutlicher zu erkennen sind und die auf eine Periodizität von 14 Re-Atomen hinweisen. Diese 14 Atome bestimmen die Breite der im STM-Bild dargestellten Doppelstränge und spiegeln das Radienverhältnis von Re und Cu (15:14) wider.

Beim System Cu/Ru(0001) wird die gleiche gewellte Anordnung erst ab 1 ML gefunden (mittels STM [GVH95/1, PSG91/1, GVH95/1], s. Abb. C 52 b und LEED/XRD [AMW97/1, KPS91/1, HPB86/1, ZGB00/1]). Im oberen Teil der Abbildung sind für den Bereich der zweiten Lage über weite Gebiete geordnete Doppelstränge zu sehen. Die unterschiedlichen Bedeckungsgrade von Re und Ru, bei denen das Cu-cp-Wachstum einsetzt, lassen sich wiederum mit dem größeren misfit des Systems Cu/Re(0001) erklären.

Beim Aufbau der dritten Lage wird der Einfluß der Ads.-Substr.-WW. noch stärker, und es kommt zur Ausbildung einer zweidimensionalen Wellung der Oberfläche oder zur Bildung von Dislokationen (Abb. C 52 b unten bzw. Mitte). Im LEED äußert sich dies im Auftreten von zusätzlichen Reflexen [AMW97/1]. Solche Reflexe wurden auch beim System Cu/Re(0001) beobachtet, s. Abb. C 8. Das läßt darauf schließen, daß auch hier zweidimensionale cp-Strukturen auftreten. Vergleichbare cp-Strukturen werden auch von vielen anderen Cu/Me-Systemen berichtet, s. Literaturtabelle im Anhang.

Aus den STM-Aufnahmen kann weiterhin entnommen werden, daß beim Cu/Re(0001) bzw. Cu/Ru(0001) zwei Lagen jeweils vollständig abgeschlossen werden, bevor 3D-Wachstum einsetzt. Darauf kann auch aus dem linearen, temperaturunempfindlichen Verlauf der XPS- und AES-Intensitätsspektren bis 2 ML geschlossen werden, vgl. Abb. C 11. (Als Erklärung mag dienen, daß ein ohnehin schon glatter Film beim Erhitzen keine Umwandlungen erleiden sollte im Gegensatz zu einem ursprünglich offenen Film, der nach thermisch aktivierter Diffusion noch kompakter werden kann.) Auch die TDS-Ergebnisse, nämlich das Auftreten von zwei Lagenzuständen, sprechen dafür, daß es sich um ein Wachstum nach dem SK2-Modus handelt.

Die Systeme Ag/Re(0001) und Ag/Ru(0001) verhalten sich ähnlich wie die Cu-Systeme. Beim Ag/Re(0001) bildet sich ab 1 ML eine uniaxiale Expansion bzw. Relaxation der ursprünglich komprimierten pseudomorphen ersten Adlage aus, die durch die typischen LEED-Bilder und durch STM [PSC97/1] nachgewiesen werden konnten. Auch hier konnte eine Übereinstimmung zwischen der Größe der Überstruktur und dem Radienverhältnis von Ag und Re (19:18) gefunden werden.

Beim System Ag/Ru(0001) ist auf Grund des großen misfits bereits die erste Lage relaxiert, s. Abb. C 53 c. Diese zunächst noch etwas ungeordnete Struktur von Doppelsträngen verbessert sich beim Erhitzen der Probe [HHS95/1]. Es entstehen dabei große Domänen mit uniaxialer Wellung der Oberfläche. Im Bereich der dritten und vierten Adsorbatlage werden die uniaxialen Strukturen durch zweidimensionale, nämlich Dislokations- (s. Abb. C 53 a) und Moiré-Strukturen ersetzt [PSC97/1], die auch mit LEED beobachtet werden können, vgl. Abb. C 19.

Abbildung C53a Abbildung C53b Abbildung C53c
Abbildung C53  a) STM-Aufnahme des Systems 2,5 ML Ag/Re(0001) bei HT (1030 Å) [PSC97/1], b) STM-Aufnahme des Systems 4 ML Ag/Re(0001) bei HT (3600 Å x 1420 Å) [PSC97/1], c) STM-Aufnahme des Sys-tems 1 ML Ag/Ru(0001) bei LT (390 Å) [HHS95/1]. Zoom-pic Zoom-pic Zoom-pic
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Bis zu einer Schichtdicke von 4 ML ist der Abschluß einer jeden Lage vor dem Beginn des Wachstums der folgenden Lage zu beobachten. Abb. C 53 b zeigt einen 4 ML dicken Ag-Film auf Re(0001). Sehr vereinzelt sind Adatome in der fünften Lage zu erkennen. Im TDS des Systems Ag/Re(0001) sind drei Lagenzustände zu erkennen, die XPS-Intensitätskurven zeigen bis 4 ML einen gemeinsamen, temperaturunabhängigen Verlauf. Zusammengefaßt läßt das den Schluß zu, daß es sich um einen Wachstumsmodus handelt, der mit SK4 bezeichnet werden kann.

Aus den Ergebnissen zum Kupfer und zum Silber wurde deutlich, daß sich die in der (ersten und) zweiten Adlage gefundene Überstruktur nur uniaxial (mit drei Domänen) ausbildet. In dickeren Filmen (bis zu 8 ML) ist die auftretende Überstruktur zweidimensional. Dies kann damit erklärt werden, daß eine uniaxiale gegenüber einer zweidimensionalen bzw. multiaxialen Verspannung der Adlage die Ads.-Ads.-WW. hemmt, jedoch die Ads.-Substr.-WW. fördert. Da die Ads.-Ads.-WW. eher für dickere Schichten entscheidend ist und die Ads.-Substr.-WW. eher für die erste oder zweite Lage, kommt es zu o. a. Verhalten.

Die Ads.-Ads.-WW. wird dadurch bestimmt, wie gut die Adteilchen die Möglichkeit haben, Gitterplätze einzunehmen, die dem Volumenkristall entsprechen. Bei einem System mit misfit ist dies bei einer zweidimensionalen Relaxation natürlich besser möglich als im eindimensionalen Fall.

Eine optimale Ads.-Substr.-WW. wird durch eine pseudomorphe Anordnung der Adteilchen erreicht. Diese Anordnung ist jedoch beim Auftreten zu großer Unterschiede in den Gitteparametern von Adsorbat und Substrat nicht mehr möglich. Gollish hat gezeigt, daß eine mit Zunahme der Bindungsenergie laufende Abfolge der ausgezeichneten Adsorptionsplätze gefunden werden kann: on top, "Brücke", "Mulde" [Gol86/1]. Bei einer zweidimensionalen cp-Anordnung der Adsorbatlage werden diese Plätze im Verhältnis 1:1:1 besetzt, bei einer eindimensionalen hingegen 0:1:1 (da in eine Richtung immer noch die optimale (ps-) Anordnung an das Substratgitter möglich ist). Der energetisch ungünstige on top-Platz braucht also bei der uniaxialen Anordnung nicht besetzt zu werden, was diese Struktur gegenüber der zweidimensionalen begünstigt. (Bei den Systemen Ag;Au/Ru(0001) konnte mittels STM-Messungen und embedded-atom-Rechnungen nachgewiesen werden, daß von den Adteilchen der relaxierten ersten Monolage keine on top-Plätze besetzt werden [HHS95/1].

Abbildung C54
Abbildung C54  STM-Aufnahme des Systems 7,6 ML Au/W(110) bei LT (450 Å) [HJW97/1]. Zoom-pic Zoom-pdf

Beim Gold kommt es auf glatten Substratoberflächen von Übergangsmetallen wie Re, Ru, W oder Mo zum Wachstum eines sehr offenen Films, was sich schon im Submonolagenbereich durch die Entwicklung sehr fraktaler Inseln ankündigt. Bereits von einem Bedeckungsgrad von 0,8 ML an wird die zweite Adlage bevölkert, während bei 1,1 ML ist die erste Lage noch nicht geschlossen ist, wie Hwang et al. Zeigen konnten [HGS92/1, GGK93/1].

Überstrukturreflexe im LEED konnten erst für dickere Schichten gefunden werden. Sie widerspiegeln wiederum die uniaxiale Wellung der Probenoberfläche. Abb. C 54 zeigt das STM-Bild einer solchen Anordnung für einen 7,6 ML Au/W(110)-Film. Dies bestätigt zum einen erneut7 die starke Ads.-Substr.-WW. und könnte zum anderen auf einen zerklüfteten Film hinweisen. In TD-Untersuchungen am System Au/Re(0001) konnten zwei Lagenzustände nachgewiesen werden. Die XPS-Intensitätsverläufe des Re-Signals zeigen keinen Temperatureffekt bis 3 ML. (Das Au-Signal konnte diesbezüglich nicht untersucht werden.) Es wird somit davon ausgegangen, daß das Gold im SK2-Modus (also mit zwei Lagen und nachfolgend Kristalliten) auf Re(0001) aufwächst.

Auf der gestuften Re(0001)-st-Oberfläche wachsen nach den TDS-Ergebnissen sowohl Cu als auch Ag in zwei geschlossenen Adsorbatlagen auf, bevor dreidimensionales Wachstum einsetzt. Es konnten nur diffuse LEED-Überstrukturen gefunden werden, was, wie schon beim Gold, auf sehr ungeordnete Filme hindeutet. Dies verwundert nicht, wenn man bedenkt, welch hohe Stufenkonzentration (etwa 1:3, vgl. Kap. B 2) bereits durch die Substratoberfläche vorgegeben ist.

 

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6.1.3. 3D-Wachstum im Multilagenbereich

Bei allen betrachteten Systemen setzt nach dem Abschluß des Lagenwachstums das so genannte Multilagenwachstum ein. Beim Kupfer und Gold auf der Re(0001)-Oberfläche sowie Kupfer und Silber auf der gestuften Re(0001)-st-Oberfläche geschieht dies nach 2 ML, beim Silber auf Re(0001) erst nach 4 ML. Gleiches wird von der Ru(0001)-Oberfläche berichtet, vgl. Literaturtabelle im Anhang.

Diese "Multilage(n)" können für die verschiedenen Systeme eine sehr unterschiedliche Morphologie aufweisen, aber es bestehen auch Übereinstimmungen. Im TDS dokumentiert sich das Auftreten von Multilagen durch einen Zustand, der eine Desorptionsordnung von Null besitzt und nicht sättigt. Die Desorptionsenergie für diesen Zustand ist konstant und liegt im Bereich der Sublimationsenthalpie des Adsorbats.

Die LEED-Bilder der Multilagenfilme zeigen im unteren Bedeckungsgradbereich (etwa bis 5 ML) noch die typischen Überstrukturreflexe des Lagenwachstums, was darauf hindeutet, daß zumindest große Inseln bestehen, die aus Lagen aufgebaut sind. Bei hohen Bedeckungsgraden verschwinden diese Überstrukturreflexe, und die charakteristischen Reflexe des Adsorbatgitters werden sichtbar, was auf einen vollständig relaxierten Adsorbatfilm hindeutet.

Das LEED-(I,V)-Spektrum des Kupfers wies eine viel bessere Ausbildung der einzelnen Bragg-Peaks insbesondere bei höheren Elektronenenergien auf, als die Spektren von Silber- und Goldfilmen. Inwieweit dies tatsächlich ein Zeichen für die besondere "Güte" des Cu-Films ist, muß jedoch fraglich bleiben, da ja eigentlich der "Quasi-FM"-Ag-Film die "besten" Ergebnisse haben sollte. Offenbar ist eher das Streuverhalten der Elemente entscheidend für die Form des Spektrums.

Die Multilagenfilme mit mehreren gleichzeitig geöffneten Lagen sind nicht temperaturstabil. Bei tiefen Temperaturen bilden sich relativ offene Strukturen aus, die beim Erhitzen der Probe via Diffusion irreversibel in einen kompakteren Film übergehen. Dies äußert sich im LEED durch ein Schärferwerden der Reflexe, verbunden mit einer Verdunklung des Hintergrunds. Teilweise werden dann auch Reflexe höherer Beugungsordnungen sichtbar.

Weitere Informationen über das Filmwachstum können den bedeckungsgradabhängigen XP-Spektren (vgl. Kap. 1.3, 2.3, 3.3) entnommen werden: Die Intensitätsverläufe der untersuchten Zustände weisen beim Substratsignal Parallelen und beim Adsorbatsignal bzw. dem Verhältnis von Adsorbat- zu Substratsignalen Unterschiede auf.

Wie schon erwähnt, sind die Formen die Substratkurven der untersuchten Systeme ähnlich. Grundsätzlich fällt deren Intensität mit dem Bedeckungsgrad ab, was qualitativ mit der Streuung der Elektronen an der Adsorbatschicht zu erklären ist. Im Detail werden die Substratintensitäten jedoch von den verschiedenen Filmen unterschiedlich gedämpft, wie in der Tabelle für die Re-Signale von 10 ML dicken Adsorbatfilmen zu sehen ist.

Substratintensitäten bei 10 ML Ads. Cu Ag Au
HT-Kurven [%] 60 45 35
LT-Kurven [%] 45 30 10
Steigerung von LT- zu HT-Kurven [%] 25 33 72

Aus der Tabelle ist (trotz eines mittleren Fehlers von ± 10 % in der Signalintensität) zu entnehmen, daß die Re-XP-Elektronen von einer 10 ML-Kupferschicht am schwächsten gestreut werden, gefolgt vom Ag- und dann vom Au-Film. (Letzterer bewirkt sogar das Verschwinden des Substratsignals für den LT-Goldfilm bei 18 ML.) Geht man davon aus, daß die Morphologie der HT-Filme in allen Fällen relativ glatt und kompakt ist, könnte man diese Beobachtung mit den unterschiedlichen Streuquerschnitten der drei Metalle erklären, wobei der des Kupfers offenbar am geringsten ist.

Auf der anderen Seite kann eine unterschiedliche Filmmorphologie die XP-Elektronen des Substrats unterschiedlich dämpfen. Offenbar reagieren offene Adsorbatfilme empfindlich auf das Erhitzen der Probe, indem sie insgesamt etwas kompakter und damit dünner werden, weil sie durch Diffusion "ausheilen". Dies wiederum hätte dann zur Folge, daß die Substratelektronen weniger effektiv gestreut werden. Ein solcher mutmaßlicher Temperatureffekt ist allerdings bei den drei Metallen nicht gleich stark ausgebildet. Er ist am schwächsten für Kupfer und am stärksten für Gold, Silber nimmt die Mittelstellung ein. Demnach müßte sich der LT-Au-Film bei einer Temperaturerhöhung am stärksten umwandeln. Betrachtet man Abb. C 56, erkennt man die starke Umwandlung eines 3,5 ML-Au-Films beim Erwärmen.

Bemerkenswert ist, daß die Temperaturabhängigkeit der Dämpfung der XP-Elektronen des Adsorbatfilms mit zunehmenden Bedeckungsgrad ein ganz anderes Verhalten zeigt (der mittlere Fehler beträgt wiederum etwa ± 10 %): Beim Kupferfilm erfolgt die Dämpfung der Substrat- und Adsorbatelektronen in gleichem Maße. Beim Silber kehrt sich der Dämpfungseffekt im Hinblick auf die Substratintensitäten um! Beim Gold ist überhaupt kein Temperatureinfluß festzustellen. Durch einen Vergleich der Daten mit den mittleren freien Weglängen (IMFP) der XP-Elektronen [GDE85/b] (s. auch Abb. A 29) kann das Verhalten nicht erklärt werden (IMFP(Re) » 16 Å):

Adsorbatintensitäten bei 10 ML Ads. Cu Ag Au
HT-Kurven [%] 100 82 100
LT-Kurven [%] 75 100 100
Steigerung von LT- zu HT-Kurven [%] 25 -21 0
Ekin [eV] 554 1118 1403
IMFP [Å] 9 15 17

Auf die Intensität des Adsorbatsignals hat jedoch die "Emitteraktivität" des Films starken Einfluß. Ein offener Adsorbatfilm sollte eine größere "aktive" (emittierende) Oberfläche als ein geschlossener Film besitzen. Die Elektronen aus den unteren Lagen werden dagegen, wie o. a., durch offene Filme stärker gedämpft. Insgesamt wirken beide Phänomene entgegengesetzt und könnten für das unterschiedliche Verhalten der verschiedenen Adsorbate verantwortlich sein.

In der Literatur wird oftmals das Intensitätsverhältnis von Substrat zu Adsorbat angegeben. Dessen Verlauf mit dem Bedeckungsgrad zeigt zwar u. U. verstärkt das Auftreten von Knicken als Zeichen für die Vollendung geschlossener Lagen an. Da im Hinblick auf die Temperaturabhängigkeit der Signalintensität zu viele Faktoren in dieses Verhältnis eingehen, kann man daraus nur schwer oder gar nicht systematische Schlußfolgerungen ziehen. Diese Darstellungsart kann also nur als fingerprint aufgefaßt werden.

Bei allen drei Systemen sind die LT- größer als die HT-Kurven der Intensitätsverhältnisse. Dies wird auch von vielen Literatursystemen berichtet: Cu/Re(0001) [HeG90/1], Cu/Ru(0001) [HPB86/1], Cu/Mo(110) [Kol88/1], Cu/V(100) [VPM97/1], Cu/Rh(100) [JiG91/1], Ag/Re( 10 1 ¯ 0 ) [Vol99/d], Ag/V(100) [VaM94/1], Au/W(110) [BPT77/1].

Es sei noch angemerkt, daß man trotz der bei erhöhter Temperatur zweifellos eintretenden Filmglättung und -verdichtung nicht davon ausgehen kann, daß es sich bei diesen dickeren Adsorbatfilmen um völlig geschlossene Lagen handelt. Aus der V(l²)-Auftragung der Braggmaxima der LEED-Spektren ergab sich für Cu eine mittlere Verkleinerung des Netzebenenabstände senkrecht zur Oberfläche um 9 %, für Ag um 13 % und für Au um 11 %. Es stellt sich also nicht der Gitterabstand der dichten Lagen ein, sondern ein eher geringerer (der allerdings noch weit vom Abstand der nächsten Nachbarn entfernt ist). Dies ist ein Zeichen für die Aufrauhung des Films, da ein solcher rauher Film nicht nur durch (111)- sondern auch durch Facetten anderer Symmetrie (mit kleineren Lagenabständen) abgeschlossen werden kann. Allerdings sollte sich auch hier für das Ag die kleinste Abweichung ergeben.

Die verstärkte Dämpfung der XP-Elektronen mit zunehmenden Bedeckungsgrad ist nur ein indirekter Hinweis auf das Wachstumsverhalten. Ungeachtet aller Übereinstimmungen in der Morphologie der Multilagen zeigen sich doch Unterschiede bei den verschiedenen Adsorbaten, die sich zusätzlich z. T. quantitativ auf die o. a. Beobachtungen auswirken. Diese sollen nachfolgend dargestellt werden:

Abbildung C55
Abbildung C55  STM-Aufnahme des Systems 5 ML Cu/Ru(0001) bei LT (3000 x 1500 Å) [PSG91/1]. Zoom-pic Zoom-pdf

Kupfer wächst bei tiefen Temperaturen und Bedeckungsgraden > 2 ML auf Ru(0001) in Form dreidimensionaler Kristallite auf, die die Gestalt hexagonaler Pyramiden aufweisen [PSG91/1]. In Abb. C 55 ist ein LT-Film von 5 ML Cu/Ru(0001) dargestellt. Man erkennt deutlich, daß bis zu neun Lagen gleichzeitig geöffnet sind. Wird dieser Film erhitzt, so laufen viele Kristallite zusammen, und es entsteht ein zwar immer noch recht rauher, aber relativ kompakter Film. Abweichend zu den bisherigen Erkenntnissen (Bildung zwei geschlossener Lagen, bevor Kristallite aufwachsen) wird für das System Cu/Ru(0001) von der Ausbildung einer dritten Lage für getemperte Filme berichtet [VCE83/1, ZGB00/1].

Beim System Ag/Re(0001) liegt schon bei tiefen Temperaturen im Multilagenbereich ein relativ kompakter Film vor. Wie Abb. C 53 b zeigt, sind diese Filme jedoch nicht vollständig geschlossen. Beim System Ag/Pt(111) setzt bei RT das Wachstum von Kristalliten auf einem recht kompakten Film bei 9 ML ein [GGK93/1].

Zu einem Wachstum von kompakten Schichten kommt es bei den Systemen Au/Re(0001) und Au/Ru(0001) nicht. Abb. C 56 a zeigt einen 3,5 ML-LT-Au/Ru(0001)-Film, bei dem gleichzeitig drei Lagen geöffnet sind. Diese bestehen aus kleinen kompakten Inseln. Beim Erhitzen sieht man zwar eine Koagulation der Inseln, es bilden sich aber keine geschlossene Schichten, sondern ausgedehnte, mehrere Lagen hohe, ebene Inseln, s. Abb. C 56 b. Diese erzeugen die gefundenen LEED-Überstrukturen, vgl. Abb. C 29.

Abbildung C56a Abbildung C56b
Abbildung C56  a) STM-Aufnahme des Systems 3,5 ML Au/Ru(0001) bei LT (400 Å) [GGK93/1], b) STM-Aufnahme des Systems 3,5 ML Au/Ru(0001) bei HT (1000 Å) [GGK93/1]. Zoom-pic Zoom-pic
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Die Multilagenfilme von Cu und Ag auf der gestuften Re(0001)-st-Oberfläche sollten sich hinsichtlich ihrer morphologischen Eigenschaften nicht sehr von den Filmen unterscheiden, die sich auf der glatten Rheniumfläche bilden. Die Peakform der TD-Spektren (Multilagenzustand a) unterscheidet sich nicht für die beide Re-Substrate. Die Desorptionsenergie liegt allerdings für die Multilagenfilme der Re(0001)-st-Systeme etwas unter der der Re(0001)-Systeme. Das könnte aus einer offeneren Filmmorphologie resultieren, in der die Zahl hochkoordinierter Adsorptionsplätze geringer wäre, als in einem dichten Film. Ein solcher Zusammenhang würde auch erklären, warum die Desorptionsenergie des Multilagenzustandes für Cu und Ag der Sublimationsenergie der Adsorbate entsprechen und die des offenen Au-Filmes etwas unter DHsub liegt.

 

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6.2. Elektronische Wechselwirkungen

In den XP-Spektren ist bei veränderlicher Bedeckung des Substrates mit Cu-, Ag-, Au-Atomen im Rahmen der Meßgenauigkeit keine Verschiebung zu verzeichnen. Entsprechende Peakverschiebungen konnten auch weder von Schlatterbeck für das System Ag/Re(0001) [Sch98/d, SPC97/1], noch von Vollmer für das System Ag/Re( 10 1 ¯ 0 ) [Vol99/d] gefunden werden.

Literaturbekannt sind folgende Angaben über Peakverschiebungen eines Monolagenfilms gegenüber der (100)-Oberfläche des jeweiligen reinen Metalls (Derartig geringe Verschiebungen konnten im Rahmen der Meßgenauigkeit nicht detektiert werden.):

XP-Elektron – System DEB bei 1 ML) Literatur
2p – Cu/Re(0001) +0,02 [RCG91/1]
2p – Cu/Ru(0001) -0,12 [RCG91/2]
4d – Ag/Ru(0001) -0,07 [BSW95/1]
5d – Au/Ru(0001) +0,06

Augenscheinlich sind die Wechselwirkungen der Metalle Cu, Ag und Au sogar mit Ru, dem Rodriguez [Rod96/1] eine gegenüber dem neutralen Re nicht zu vernachlässigende Elektronen-akzeptorfunktion (vgl. Kap. A 2.6.1) zuschreibt, derart, daß sie sich mittels XPS nicht deutlich nach weisen lassen. Betrachtet man, wie hoch die Bindungsenergien der Adsorbate an das Rhenium sind (300 ... 400 kJ/mol, aus TDS), muß von einer relativ starken Wechselwirkung ausgegangen werden. Augenscheinlich sind die Bindungsverhältnisse auf Grund der geringen Ladungsverschiebung für die betrachteten Adsorbate auf der Re-Oberfläche denen ähnlich, die auf der Oberfläche der jeweiligen Volumenkristalle der Adsorbatmetalle vorliegen.

Ein weiterer Punkt ist interessant. Die stärksten Verschiebungen der Bindungsenergie treten im Bereich von 1 bis 2 ML auf. Beim Cu/Re(0001) erreicht DEB/DEB,max dort 40 % [RCG91/1], beim Cu/Ru(0001) 50 % [RCG91/2]. Für beide Systeme ist der Volumenwert DEB,max nach 5 ML erreicht.

Diese "stärksten" elektronischen Effekte bis 2 ML könnten als Ursache für die Minima in den DF(Q )-Spektren bei 2 ML gelten (vgl. Abb. C 12 und Abb. C 22). Geht man davon aus, daß in diesem Bereich bei den untersuchten Metallen die stärksten Ladungsverschiebungen ins Re auftreten, wird dadurch die Oberfläche positiviert und die Elektronenaustrittsarbeit erniedrigt. Nach etwa 5 ML, wo keine chemische Verschiebung gegenüber den Volumensystemen mehr nachweisbar ist, nähern sich auch die DF-Kurven ihrem Sättigungswert.

 

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6.3. Thermodynamische und kinetische Eigenschaften

Wie in Kap. 6.1 dargestellt, bilden sich bei den betrachteten Edelmetallsystemen auf der glatten Re(0001)-Oberfläche zunächst (bei geringen Bedeckungsgraden) m. o. w. geschlossene Adsorbatlagen aus, auf denen dann dreidimensionales Wachstum in Form von Kristalliten bzw. offenen Lagen einsetzt.

 

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6.3.1. Multilagendesorption

Bei der Desorption aller drei Metalle bildet sich jeweils ein Multilagenzustand a aus, und zwar auf der Tieftemperaturseite der Spektrenserien. Der besseren Übersichtlichkeit halber sind die entsprechenden Daten für die drei Systeme in der folgenden Tabelle noch einmal zusammengefaßt:

TDS-Extrema des a-Zustandes (b »  7,5 K/s) Cu Ag Au
Tmax [K] 1055 990 1225
Siedepunkt [K] [www_05] 2840 2436 3130
Qmax(Q0) [ML] 2(3) 3(4) 2,2(3)
DTmax(a-b1) [K] 60 -5 115

(Tmax, Qmax ... Temperatur- bzw.Bedeckungsgrad-Maximum eines bestimmten TD-Spektrums mit dem Anfangsbedeckungsgrad Q0, bei dem der jeweilige Zustand (hier a) mit 1 ML gesättigt ist; DTmax(a-b1) ... Temperaturdifferenz zwischen den Maximumstemperaturen der Zustände a und b1, jeweils mit einem Anfangsbedeckungsgrad Q0)

Bei allen drei Metallfilmen korrespondieren die Temperaturmaxima der a-Zustände gut mit den Siedetemperaturen der reinen Metalle. So ergibt sich, daß der Siedepunkt immer etwa 2,5 mal so groß wie Tmax ist. (Berücksichtigt man die kleinen Unterschiede in den verwendeten Heizraten der TDS (7,7; 7,2; 7,5 K/s), so erhält man für alle drei Metalle sogar den gleichen Wert.) Dies belegt, daß es sich bei der Desorption um einen einheitlichen Prozeß handelt, der unter den Bedingungen des UHV-Experiments als Sublimation abläuft.

Die Differenz zwischen dem Anfangsbedeckungsgrad und dem Bedeckungsgrad-Maximum (Q0 - Qmax, s. Tabelle) der jeweiligen TD-Pfade beträgt für Cu und Ag 1 ML, für Au aber 0,8 ML. Offenbar kommt es zwischen den a- und b-Zuständen beim Au zu einer Wechselwirkung, im Gegensatz zu Cu und Ag.

Der Blick auf die Unterschiede der Temperaturmaxima der a- und der b1-Zustände grenzt das System Ag/Re(0001) klar von den anderen beiden ab. Beim Cu und Au sind die beiden Zustände jeweils gut voneinander separiert, was auf eine klare Unterscheidbarkeit von a-b1-Zustand hindeutet. Diese Separation erfolgt deshalb, weil im a-Zustand, im Gegensatz zum Lagenwachstum der b-Zustände, 3D-Kristallite (auf den bereits vorhandenen Lagen) vorliegen, von welchen die Desorption erfolgt. Beim Ag ist der a-b1-Unterschied so klein, daß das Temperaturmaximum des a-Zustandes (bei Q0 = 3 ML) sogar bei geringeren Temperaturen liegt als das des b1-Zustandes. Offenbar sind sich diese beiden Zustände sehr ähnlich. Es kann geschlußfolgert werden, daß das Multilagenwachstum beim Ag eher zweidimensional abläuft.

Ein Vergleich der differentiell (durch Extraktion der Arrheniusparameter der gemeinsamen exponentiellen Anstiegsflanke) und integral (nach Bauer) gewonnenen Desorptionsenergiewerte (vgl. Kap. A 4.4) mit der Sublimationsenthalpie der drei Metalle zeigt eine gute Übereinstimmung:

Desorptionsenergie des a-Zustandes (b » 7,5 K/s) Cu Ag Au
Edes (diff.)[kJ/mol] 338 282 360
Edes (int.)[kJ/mol] 335 270 350
DHsub [kJ/mol] (Kap. A 1.6) ~340 ~280 ~373

Trotz dieser guten Übereinstimmung zwischen Meß- und Literaturwerten fällt auf, daß die Daten von Cu, besonders aber von Au etwas kleiner als die Sublimationsenthalpie sind. Das könnte daher rühren, daß der Film, aus dem die Adteilchen desorbieren, offener ist, als es der wohlgeordneten Volumenstruktur entspricht. Daher gibt es weniger hochkoordinierte Adsorptionsplätze, und die Teilchen werden weniger stark gebunden. (Eventuell könnte man auf Grund dieser Überlegungen sogar schlußfolgern, daß der Au-Multilagenfilm eine offenere Struktur hat als der des Cu.)

Zusammen mit der Information, daß sich beim Cu und Au je zwei b -Zustände ausbilden, beim Ag aber drei, kann auf folgende thermodynamische Wachstumsmodi (WM) geschlossen werden (mit WM#: Wachstumsmodus mit # (unterscheidbaren) Lagen):

 

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6.3.2. Lagen-Desorption von glatten Oberflächen

Abbildung C57
Abbildung C57  Thermodesorptionsspektren für Edelmetallsysteme auf der Ru(0001)-Oberfläche Q0 < 2 ML a) Cu-TDS [KPS91/1], b) Ag-TDS b = 3,2 K/s [NDM87/1], c) Au-TDS, b = 3,2 K/s [NDM87/1]. Zoom-pic Zoom-pdf

Die Form der TD-Spektren ist nicht nur für die Münzmetalldesorption von der Re(0001)-Oberfläche charakteristisch, sondern auch für die Desorption von sehr vielen anderen glatten Übergangsmetalloberflächen, wie W(110) (mit dem gleichen misfit wie Re(0001)) und Mo(110) (Bauer et al.) sowie speziell Ru(0001) (mit der gleichen Oberflächensymmetrie wie Re) (Wandelt et al., Christmann et al.), vgl. Abb. C 57 mit Abb. C 2, Abb. C 14 und Abb. C 24 und siehe Literaturtabelle im Anhang. Pro Lage bildet sich je ein TD-Zustand heraus. Dabei liegt jeweils der Zustand bei höchsten Temperaturen, der Adteilchen zugeordnet ist, die direkt mit der Substratfläche in Berührung stehen. Dies ist nicht unbedingt ein Zeichen dafür, daß dieser Zustand auch mit der stärksten Bindung an die Probenoberfläche in Verbindung zu bringen ist. Vielmehr spielt die zeitliche Abfolge der Desorption eine wichtige Rolle. Alle eine bestimmte Lage bedeckenden Teilchen müssen erst desorbieren, bevor Teilchen der fraglichen Lage die Oberfläche verlassen können. Insbesondere beim Gold, aber auch bei den anderen betrachteten Metallen, ist es jedoch nicht auszuschließen, daß es im Bereich des Lagenabschlusses zu Interlagenwechselwirkungen kommt.

Wie oben erwähnt, kommt es beim Cu und Au zur Ausbildung von zwei, beim Ag jedoch zur Ausbildung von drei gut unterscheidbaren Lagenzuständen. Die wichtigsten Daten der beiden auf der Hochtemperaturseite der TD-Serien gelegenen b -Zustände für die drei Münzmetallsysteme auf Re(0001) sind in der nachfolgenden Tabelle aufgeführt:

TDS-Extrema der b-Zustände (b » 7,5 K/s) Cu(# = 2) Ag(# = 3) Au(# = 2)
1. MLb# Tmax [K] 1115 1060 1340
Qmax [ML] 0,28 0,32 0,28
2. MLb#-1 Tmax [K] 1050 1000 1240
Qmax [ML] 1,1 1,25 1,2
b# ® b#-1 DTmax[K] 65 60 100

Äquivalente Überlegungen zur Lage der Temperaturmaxima wie beim a -Zustand können auch hier angestellt werden. Nach Rodriguez ist sogar die Differenz der Maximumstemperatur der Zustände der ersten und zweiten Lage ein Maß für den Unterschied der Bindung zwischen den Adteilchen im Gegensatz zur Bindung zwischen Adsorbat und Substrat [Rod96/1]. Demzufolge wäre beim Gold eine um etwa 60 % verstärkte Wechselwirkung mit dem Rhenium als zwischen Cu bzw. Ag und Re zu verzeichnen (s. o. a. Tabelle). (Allerdings liegt bei Gold eine andere Spektrenform als bei Silber und Kupfer vor, was natürlich die Vergleichbarkeit der Daten einschränkt.)

Eine eindeutige Korrelation des Temperaturunterschiedes der Desorptionszustände mit der Bindungsstärke des jeweiligen Adsorbats ist jedoch, wie o. a., nicht möglich. Sicher ist jedoch, daß sich die b-Desorptionszustände und damit die ersten beiden Lagen bei den Cu- und Ag-Systemen relativ ähnlich sind und sich vom Au-System etwas unterscheiden.

Das Bedeckungsgrad-Maximum der jeweiligen TD-Pfade beträgt für die Zustände der zweiten Lage von Cu 1,1 ML (b1), von Au (b1) und Ag (b2) aber 1,2 ML. Gleichzeitig wächst der b-Zustand der ersten Lage Ag oder Au etwa bis 1,2 ML weiter, was bei Cu nicht zu beobachten ist. Es kommt also bei der Desorption des Ag und des Au zu einer Wechselwirkung der Adteilchen der ersten und zweiten Lage im Bereich von 1,0 bis 1,2 ML, eine Tatsache, die mit dem im Gegensatz zum Kupfer erst in der zweiten Lage auftretenden ps-cp-Übergang korrespondiert.

Auf der glatten Oberfläche des Re- aber auch z. B. des Ru-Kristalls kommt es zu zwei Arten von Phasenübergängen. Der eine ist der schon in Kap. 6.1.2 beschriebene Ordnungs-Ordnungs-, also der ps-cp-Übergang. Dieser beeinflußt die Desorption dahingehend, daß er die Bindungsenergie der Teilchen erniedrigt, wie in Kap. 5.2 gezeigt wurde. Dabei werden die Adatome aus ihren "normalen" Gitterplätzen ausgelenkt, was dazu führt, daß sie nicht mehr optimal mit dem Substrat bzw. einer unterliegenden Adsorbatschicht wechselwirken können. Da dieser Phasenübergang im Bedeckungsgradbereich des Übergangs von einem zum nächsten TD-Zustand auftritt, ist er schlecht in den TD-Spektren zu erkennen.

Bei dem anderen Phasenübergang handelt es sich um einen Ordnungs-Unordnungs-Übergang, nämlich die zweidimensionale Verdampfung: Innerhalb der Lagen können die Adteilchen in zwei Formen auftreten, nämlich in Inseln gebunden oder auf der Oberfläche frei beweglich. Diese beiden Phasen stehen miteinander in Wechselwirkung. Bei tiefen Temperaturen überwiegt die Phase, die in Inseln kondensiert ist. Sie bildet mit der anderen ein Phasengleichgewicht aus. Bei hohen Temperaturen existiert nur noch die frei beweglichen Teilchen.

Die Desorptionscharakteristika der Lagenzustände, besonders die der ersten Lage, sind eng mit dem Phasengleichgewicht der zweidimensionalen Verdampfung verknüpft. Dieses wirkt sich zum einen auf die Desorptionsordnung aus, die wiederum die Form der TD-Spektren und auch der Desorptionsisothermen bestimmt. (Dies wurde ja umgekehrt zur Bestimmung von n genutzt.)

Eine Desorption nach erster Ordnung kann dadurch hervorgerufen werden, daß die 2D-Gas-Teilchen des Einphasensystems desorbieren. Dabei wird ihre Konzentration auf der Oberfläche geringer, was den linearen Zusammenhang zwischen Bedeckungsgrad und Desorptionsrate bestimmt (n = 1). Aus dem Zweiphasengebiet desorbieren ebenfalls die auf der Oberfläche frei beweglichen Teilchen (der 2D-Gasphase). Diese werden allerdings aus Teilchen der Inselphase stets so lange nachgebildet, wie diese Phase überhaupt vorhanden ist. Damit bleibt die Oberflächenkonzentration der desorbierenden Spezies konstant, was die Ursache für die Desorptionsordnung von Null ist.

Je nach Zustand, in dem sich das System während der Desorption befindet, haben die TD-Spektren also eine ganz bestimmte Form. Ein Beispiel für die Desorption aus dem Einphasengebiet ist die Desorption der ersten Goldes-Adlage mit dem zugehörigen b2-Zustand. In den TD-Spektren dokumentiert sich die Desorptionsordnung von n = 0 dadurch, daß alle Temperaturmaxima bei etwa der gleichen Temperatur liegen, vgl. Abb. C 24 und Abb. C 57 c. Bei der Desorption aus dem Zweiphasengebiet ist die Desorptionsordnung Null. Je nach dem, in welchem Temperaturbereich beispielsweise die Desorption des Cu von der Re(0001)-Oberfläche im Hinblick auf die kritische Temperatur des Phasengleichgewichtes abläuft, erhält man eine Desorption nach erster Ordnung oder einen Wechsel der Desorptionsordnung von (Eins auf) Null (und wieder) auf Eins. Die TD-Spektren weisen dann eine gemeinsame Anstiegsflanke auf, auf der jedoch nicht, wie bei einer einheitlichen Desorptionsordnung von Null, die Maxima liegen, vgl. Abb. C 2 und Abb. C 14 sowie Abb. C 57 a, b. Es ergibt sich für kleine Heizraten und damit niedrige Temperaturen in einem weiten, mittleren Bedeckungsgradbereich eine Desorptionsordnung von n = 0, für größere Heizraten von n = 1. Beim Silber stellt sich bei allen gewählten Heizraten eine Desorptionsordnung von n = 0 ein.

Die unterschiedliche Desorptionsordnung bestimmt mittelbar auch den Verlauf der Desorptionsenergie, die damit keine konstante Größe ist, sondern eine Funktion von Bedeckungsgrad und Temperatur. Die Desorptionsenergie steigt bei einer Desorptionsordnung von n = 1 und bei attraktiven Adteilchenwechselwirkungen mit dem Bedeckungsgrad an, wie es beim Gold (vgl. Abb. C 27) und bei HT-Spektren des Kupfers (vgl. Abb. C 5) der Fall ist.

Auch hier nimmt das Kupfer wieder eine Mittelstellung zwischen Silber und Gold ein: Je nach Einstellung der Desorptionstemperatur ist der Verlauf der Desorptionsenergie eher konstant wie beim Silber (LT-TD-Pfade) oder ansteigend wie beim Gold (HT-TD-Pfade). (Zur Erinnerung: Durch geeignete Wahl der Heizrate kann bei einem TD-Experiment das Desorptionsmaximum in weiten Temperaturbereichen verschoben werden.) Allerdings ist der Verlauf der Desorptionsenergie nicht immer eindeutig zu erkennen, da Edes durch weitere Effekte zusätzlich beeinflußt wird. Die mittleren Desorptionsenergien sind in der Tabelle aufgeführt:

Desorptionsenergie der b-Zustände (b » 7,5 K/s) Cu Ag Au
Edes (0,5 ML)[kJ/mol] 310 (n = 0)

350 (n = 1)

280 380
Edes (1,5 ML)[kJ/mol] 340 290 350
DHsub [kJ/mol] (Kap. A 1.6) ~340 ~280 ~373

Abbildung C58
Abbildung C58  Desorptionsenergie für Edelmetallsysteme auf der W(110)-Oberfläche Q < 1 ML, b = 4,3 K/s [KoB86/1] a) Cu-TDS, b) Ag-TDS, c) Au-TDS. Zoom-pic Zoom-pdf

Das Phasengleichgewicht der zweidimensionalen Verdampfung kann sich nur bei attraktiven Wechselwirkungen der Adteilchen einstellen, die ja für die Inselbildung verantwortlich sind. Die Desorptionsenergie ist in diesem Fall konstant. Dies wird in Abb. C 58 deutlich. Hier sind die Desorptionsenergien für die Ein- und Zweiphasengebiete der Systeme Cu;Ag;Au/W(110) dargestellt. Die Kurvenverläufe wurden von Bauer et al. nach der verfeinerten (integralen) Totalanalyse der TD-Serien gewonnen, die (in abgewandelter Form) auch in der vorliegenden Arbeit angewendet wurde. Normalerweise werden dabei aus den TD-Serien Arrhenius-plots berechnet, deren Steigung ein Maß für die Desorptionsenergie ist, vgl. Gl. (C1). Wechselt während der Desorption die Desorptionsordnung, wie in den meisten der untersuchten Fälle, so treten in den Arrhenius-plots Knicke auf, die die beiden Phasen von einander trennen (vgl. auch Kap. A 4.5). Während Bauer die Anstiege der beiden Teile bestimmt hat und so zu einem (phasengrenztemperatur-) getrennten Verlauf für die beiden Phasen gelangt ist [KoB86/1], wurde in der vorliegenden Arbeit der Verlauf einschließlich Knick (temperatur-) gemittelt. Es ergibt sich somit ein mittlerer Kurvenverlauf für den gesamten Temperaturbereich der Desorption.

Um trotzdem an die das System bestimmenden physikalischen Größen zu gelangen, wurde nach der Bragg-Wiliams-Näherung der laterale Beitrag der Desorptionsenergie simuliert (vgl. Abb. C 45) und an die Meßergebnisse angepaßt (s. Abb. C 46). Es konnten so die Adteilchen- Adteilchen-Wechselwirkungsenergie EWW und das vertikale Bindungspotential VZ bestimmt werden, das zwar über einen weiten Bedeckungsgradbereich konstant, aber bei Bedeckungsgraden, bei denen der ps-cp-Übergang auftritt, eine Funktion von Q ist und kleiner wird. Mit diesen energetischen Größen kann rückwirkend der theoretische Verlauf der Desorptionsenergie nach

E desX = V Z + E des,latX (C7)

(mit X = 1 für das Ein- und X = 2 für das Zweiphasengebiet und Edes,lat X aus den Gl. (C4) und (C5)) simuliert werden. Ebenfalls kann bei Kenntnis über die 2D-Verdampfung und die diesbezüglichen Parameter der Verlauf der TD-Spektren vollständig simuliert werden. In Abb. C 59 a und b ist dies für das System Ag/Re(0001) sowie in c für das System Ag/Ru(0001) dargestellt.

Vergleicht man Abb. C 59 a und b, so fallen kaum Unterschiede auf. Die von Schlatterbeck simulierten Kurven [SPC98/1, Sch98/d] wurden mit je einer Ratengleichung für n = 1 und n = 0 in Form von (A73) mit Edes = 290 kJ/mol, n = 1,5 x 1014 s-1, b = 2,5 K/s sowie einer sin²-Schaltfunktion der Breite 0,3 ML bei 0,15 ML berechnet. Offenbar beschreibt selbst eine so simple Funktionsgleichung die Vorgänge der 2D-Verdampfung recht gut.

Abbildung C59
Abbildung C59  Experimentelle und simulierte Ag-TD-Spektren. a, b) Re(0001), Experiment gestrichelte, Simulation durchgezogene schwarze Linien. a) [SPC98/1, Sch98/d], b) [PLM02/1]); c) Ru(0001), Experiment rote [SRH94/1], Simulation schwarze Linien [NSW95/1]. Zoom-pic Zoom-pdf

Payne et al. gehen, um die beste Übereinstimmung zwischen simulierten und gemessenen Spektren zu erhalten, davon aus, daß es sich um eine Oberfläche handelt, die eine mittlere Terrassenbreite von sechs Atomen aufweist. Sie benutzen einen komplexen Energieoperator, in den für jeden Gitterplatz das Bindungspotential Vz,0(Terrasse) = 268 kJ/mol bzw. Vz,0(Stufe) = 316 kJ/mol, die lateralen Wechselwirkungsenergien der nächsten EWW = 12,2 kJ/mol und übernächsten Nachbarn sowie der Frequenzfaktor der Desorption n = 1,5 x 1012 s-1 eingehen.

Die Übereinstimmung ist jedoch nicht besser als bei den Simulationen von Schlatterbeck [SPC98/1, Sch98/d]. Durch den Vergleich der Ag-TD-Spektren von der glatten und der gestuften Re-Oberfläche (Abb. C 14 und Abb. C 34) mit den dazugehörigen STM-Bildern (Abb. C 50 und Abb. B 4) lassen sich klar die aus der Oberflächenmorphologie entstehenden Unterschiede aufzeigen. Dies beweist, daß es sich in Abb. C 14 tatsächlich um TD-Spektren einer (0001)-Oberfläche mit sehr geringer Stufendichte handelt. Insofern muß die Gültigkeit des von Payne et al. benutzten, recht aufwendigen Modells in [PLM02/1] in Frage gestellt werden. (Mit der Annahme einer ideal glatten Oberfläche und Vz = 275 kJ/mol, EWW = 10,8 kJ/mol und n = 1,5 x 1012 s-1 gelangen sie zu nicht akzeptablen Ergebnissen.

Daß sich der Kurvenverlauf der Ag-Desorption von der Ru(0001)-Oberfläche durch MC-Rechnungen simulieren läßt, zeigen Wandelt et al., s. Abb. C 59 c [NSW95/1]. Dabei wurden folgende Parameter verwendet: Vz = 256 ... 261 kJ/mol und EWW = 6,8 ... 8,7 kJ/mol. Die (allerdings sehr schlechte) Übereinstimmung von experimentellen und simulierten Spektren liegt sicherlich z. T. im offensichtlich sehr großen Temperaturunterschied der einzelnen MC-Simulationsschritte.

 

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6.3.3. "Lagen-"Desorption von gestuften Oberflächen

In Abb. C 48 sind Ag-TD-Spektren für eine Re(0001)- und eine Ru(0001)-Oberfläche mit geringer Terrassenbreite (etwa 5 x 15 Atome) dargestellt. Es kommt dadurch, daß sich keine großen, zusammenhängenden Inseln mehr ausbilden können, nicht oder nur in geringem Maße zur Entstehung des Phasengleichgewichtes der 2D-Verdampfung wie auf glatten Oberflächen. Auch der ps-cp-Übergang ist inhibiert, da die Verspannungen in den kleinen Agglomeraten nicht ausreicht, die Ads.-Substr.-WW zu überwinden. Allerdings spielt hier die erhöhte Bindungsenergie der Adteilchen auf den Stufenplätzen eine entscheidende Rolle. Dies ist für die Entstehung eines separaten TD-Zustands b2b, vgl. Abb. C 35 und Abb. C 36, verantwortlich. Die Desorptionsenergie ist durch einen monotonen Anstieg mit dem Bedeckungsgrad gekennzeichnet, die Desorptionsordnung ist jeweils Eins.

Geht man zu grabenförmigen Oberflächen über, die man als gestufte Oberflächen mit einer Terrassenbreite von 0 bis 1 Atom ansehen kann, so bleibt die Spektrenform weitgehend erhalten (s. z. B. Ag;Au/Re( 10 1 ¯ 0 ) [Vol99/1]). Dabei muß aber beachtet werden, daß die Definition der Monolage jetzt nicht mehr auf alle ausgezeichneten Adsorptionsplätze bezogen werden könnte, sondern beispielsweise nur auf die Grabenplätze. Auf solchen Oberflächen kommt es oft zu (teilweise thermisch induzierten) Phasenübergängen, die aus unterschiedlichen Anordnungen der Adteilchen mit geringer lateraler Ausdehnung hervorgehen. Bei den vorhandenen hochkoordinierten Adsorptionsplätzen kann es, vor allen Dingen bei Systemen mit positivem misfit, dazu kommen, daß bestimmte Gitterplätze gar nicht eingenommen werden können, so daß nicht von vornherein bestimmt werden kann, ob die Bindung auf einer gestuften Fläche fester oder schwächer als auf einer glatten Oberfläche ist.

 

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6.3.4. Münzmetallbindung auf "refractory metal"-Substraten

Durch einen Vergleich der in dieser Arbeit herausgearbeiteten Daten mit den veröffentlichten Ergebnissen ähnlicher Systeme lassen sich einige allgemeine Schlußfolgerungen über das (Ad- und) Desorptionsverhalten sowie über die Adatombindung der Münzmetalle Cu, Ag und Au auf Substratoberflächen hochschmelzender Metalle (refractory metal) (Gruppen 5 bis 9 des PSE) ziehen.

Bei diesen Systemen kommt es nicht zur Legierungsbildung zwischen Adsorbat und Substrat. Bei der Adsorption entstehen zunächst eine bis mehrere (m. o. w. geschlossene) Lagen, auf denen eine Multilagenschicht wächst. Ab ca. 5 ML sind keine elektronischen Wechselwirkungen zwischen Substrat und Adsorbat mehr nachzuweisen. Bei entsprechender Temperatur sublimiert das Adsorbat einfach, wobei eine eventuelle Rauhigkeit des Films für eine geringfügige Absenkung der Desorptionsenergie verantwortlich ist.

Im Bereich der Adsorbatlagen kann man zwischen Bindungspotential des Adsorbats zum Substrat VZ (Ads.-Substr.-WW) und der lateralen Adteilchenwechselwirkungsenergie EWW (Ads.-Ads.-WW), unterschieden werden. Beide sind Bestandteil der Desorptionsenergie, die der differentiellen Wärme entspricht, die dem System zugeführt werden muß, damit die Desorption einsetzt. Dabei können beide Energien sowohl temperatur- als auch bedeckungsgradabhängig sein und reagieren damit empfindlich auf das Auftreten von z. B. Phasenübergängen. Sie können den Verlauf der Desorptionsenergien mit dem Bedeckungsgrad um mehrere zehn bis hundert kJ/mol beeinflussen.

Zwei Anteile bestimmen die Stärke der Bindung eines Adsorbats an die Oberfläche. Der eine ist der Teil, der den Übergang vom isolierten Atom zum Agglomerat, zur Adsorbatschicht und schließlich zum Metallkristall beinhaltet. Quantenchemisch beruht dieser Bindungsteil darauf, daß die Valenzelektronen des Adatoms, das schließlich Teil des Metallkristalls wird, stärker delokalisiert werden. Diese Delokalisierung ist für den Größenordnungsunterschied zwischen EWW (1D oder 2D) und VZ (3D) verantwortlich. Thermodynamisch gesehen bedeutet das, daß die Gesamtbindungsenergie oder die mittlere Desorptionsenergie in starkem Maße durch die Sublimationsenthalpie des Adsorbats bestimmt wird.

Zusätzlich trägt bei Systemen, deren Komponenten unterschiedliche Elektronendichten aufweisen, ein zweiter Anteil zur Bindung bei, der auf dem Ladungstransfer zwischen Adsorbat und Substrat beruht, und eine Angleichung der Elektronendichten bewirkt. Für die hier untersuchten Münzmetalle bedeutet dies, daß die Desorptionstemperatur um bis zu 100 K bzw. die Desorptionsenergie um bis zu 100 kJ/mol angehoben werden kann, wenn Systeme aus Substraten mit hoher oder niedriger Elektronendichte betrachtet werden (vgl. Kap. A 2.6.1 und Literaturtabelle im Anhang). Beim in dieser Arbeit verwendeten Rhenium spielt jedoch der Ladungstransfer anscheinend nur eine untergeordnete Rolle, da Cu, Ag, Au und Re etwa gleiche Elektronendichten aufweisen.

 

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