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Dieser Abschnitt behandelt das Phänomen der Oberflächenlegierungen dünner metallischer Filme mit bzw. auf der Re(0001)-Oberfläche. Im ersten Kapitel werden die Ergebnisse des System Pd/Re(0001) präsentiert. Es soll gezeigt werden, inwieweit Pd und Re im Oberflächenbereich eine Legierung bilden, obwohl das dreidimensionale System Pd/Re eine sehr ausgedehnte Mischungslücke besitzt.

Das Pd/Re-System weist Parallelen zu vielen verwandten Systemen auf. Hauptsächlich sind dies solche, die sich aus den Adsorbaten Ni, Pt, Co und den Substraten Ru, W, Mo, Ta zusammensetzen. Die Literaturdaten dieser Systeme werden zur Diskussion der Pd/Re-Ergebnisse herangezogen: 

In den Kapiteln 2 und 3 werden die Ergebnisse zu den Legierungen zwischen Kupfer und Silber bzw. Gold und Silber präsentiert, die sich auf der Re(0001)-Oberfläche bilden. Diese drei Adsorbatmetalle legieren nicht mit der Re-Oberfläche, wie im Teil C gezeigt werden konnte. Aus diesem Grunde ist es möglich, zweidimensionale Legierungen auf der Re-Oberfläche zu erzeugen. Dabei ist auch interessant, wie sich das dreidimensionale Legierungsverhalten (Ausbildung einer Mischungslücke von 14 bis 95 % Kupfer beim System Ag+Cu bzw. unbegrenzte Mischbarkeit beim System Ag+Au, vgl. Kap. A 1.8) unter dem Einfluß der verminderten Dimensionalität und der von der Substratoberfläche vorgegebenen Adsorptionsplatzanordnung verändert.

Wie in Teil C, insbesondere in Kap. C 6, gezeigt werden konnte, sind sich die Systeme Cu;Ag;Au/Re(0001) und Cu;Ag;Au/Ru(0001) sehr ähnlich. Da die Systeme Ag+Cu/Ru(0001) und Ag+Au/Ru(0001) bereits genau untersucht wurden, ist es möglich, die dort gewonnenen Resultate mit den hier vorgestellten der Systeme Ag+Cu/Re(0001) und Ag+Au/Re(0001) zu vergleichen. Bei den erwähnten Ergebnissen zu den Ru-Systemen handelt es sich insbesondere um folgende Arbeiten:

In Kap. 4 wird herausgearbeitet und zusammengefaßt, welche Größen und Prozesse bei der Bildung der verschiedenen Formen der Oberflächenlegierungen entscheidend sind. Dazu werden die Systeme Pd/Re(0001), AgCu, AgAu, CuAu, Ag+Cu/Re(0001) und Ag+Au/Re(0001) miteinander verglichen.

 

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1. Palladium-Legierung mit Re(0001)

1.1. Thermodesorptionsspektroskopie

1.1.1. Spektrenformanalyse

Um einen Überblick über das System Pd/Re(0001) zu erhalten, wurden TDS-Messungen im Bedeckungsgradbereich bis 18 ML durchgeführt. Bis zum Bedeckungsgrad von 6 ML wurden dabei Proben in einer Schrittweite von ca. 0,16 ML präpariert und mit einer Heizrate von 7,8 K/s vermessen. So konnte bei einer optimalen Auflösung des Spektrums eine gute Intensität erreicht werden. Die aus den Untersuchungen resultierende Spektrenserie ist in Abb. D 1 a dargestellt.

Abbildung D1
Abbildung D1 a) Thermodesorptionsspektren und b) layer plots des Systems Pd/Re(0001) für Anfangsbedeckungsgrade von bis zu 18 ML, in Schritten von ca. 0,16 ML, Heizrate 7,8 K/s, Tads = 600 K. Zoom-pic Zoom-pdf

Es treten drei Desorptionszustände auf, die mit a, b1 und b2 bezeichnet werden. Der Tieftemperaturzustand ist der a-Zustand. Er bildet sich bei der gewählten Heizrate ab einer Temperatur von 1100 K aus und hat bei einem Anfangsbedeckungsgrad von 3 ML sein Maximum bei 1250 K. Alle Spektren dieses Zustandes sind durch die Ausbildung einer gemeinsamen Anstiegsflanke gekennzeichnet. Dieses Verhalten entspricht einer Desorptionsordnung von Null. Da die Maxima der Zustände ab einem Anfangsbedeckungsgrad von 2,5 ML um ca. 10 K gegenüber dieser Flanke zu höheren Temperaturen verschoben sind, weicht diese Desorptionsordnung zumindest zum Ende des Prozesses, also bei geringen Restbedeckungsgraden, von Null ab. Im Gegensatz zu den b-Zuständen ist kein Sättigungsverhalten des a-Zustandes zu beobachten.

Wie in Kap. A 4.3 beschrieben, wurden aus den TD-Spektren layer plots berechnet, welche in Abb. D 1 b den TD-Spektren gegenübergestellt sind. Der Verlauf der a-TD-Pfade, beginnend bei höchsten Bedeckungsgraden, ist zunächst linear. Dieser Umstand kann dem gemeinsamen exponentiellen Verlauf der Spektren in der Anstiegsflanke und der damit verbundenen Desorptionsordnung von n = 0 zugeordnet werden. Besonders bei den Spektren mit hohen Anfangsbedeckungsgraden wird die Linearität aber bereits nach ca. ½ der maximalen Peakhöhe aufgegeben, was einer desorbierten Menge von 0,5 bis 1,5 ML entspricht.

Läßt sich der anfängliche Verlauf der Spektren in der gemeinsamen Anstiegsflanke zusammen mit dem fehlenden Sättigungsverhalten noch mit einer Multilagendesorption ähnlich einer Sublimation erklären, so ist dies für den weiteren Fortgang der Desorption nicht möglich. Hier sind weitere Prozesse beteiligt (eventuell Legierungsbildung), die die Spektrenform beeinflussen.

Für die Bereiche der Spektren, die einen deutlichen exponentiellen Anstieg aufweisen (Abschnitte innerhalb der gemeinsamen Anstiegsflanke), ist es möglich, nach Gleichung (C1) die Desorptionsenergie zu berechnen. Dabei geht man von der linerarisierten Form der TD-Spektren aus, wie sie in Abb. A 17 gezeigt ist. Interessanterweise erhält man unterschiedliche Werte für verschiedene Anfangsbedeckungsgrade. Für das Spektrum mit Q0 = 5 ML beträgt Edes noch 371 kJ/mol, was den tabellierten Werten der Sublimationsenthalpie entspricht (377,4 kJ/mol [LPS00/1] bzw. 378 kJ/mol [www_01]). Dem Spektrum mit Q0 = 6 ML ist ein Wert von 365 kJ/mol zuzuordnen, dem Spektrum mit Q0 = 18 ML gar ein Wert von nur 358 kJ/mol. Dieser liegt 20 kJ/mol unter dem Wert von DHsub, was es (bei Betrachtung des konstanten Verlaufes der Desorptionsenergie der Münzmetalle in diesem Bereich (vgl. Teil C) wahrscheinlich macht, daß zusätzliche Prozesse beteiligt sind, die die Bindung der Pd-Atome untereinander (gegenüber dem Fall des reinen Pd-Kristalls) schwächen.

Im Bedeckungsgradbereich bis 2 ML beobachtet man zwei b-Zustände, deren Maxima ca. 170 bis 180 K voneinander getrennt liegen. Dabei sättigt der b1-Zustand bei 2 ML und der b2-Zustand bei 1 ML. Der größte Anfangsbedeckungsgrad, bei dem das zugehörige TD-Spektrum noch keine Anteile des b1-Zustandes beinhaltet, wurde zur Normierung der Monolage benutzt.

Zur genaueren Untersuchung der b -Zustände wurden drei TD-Serien mit unterschiedlichen Heizraten (3,8 K/s; 7,8 K/s und 28,5 K/s) aufgenommen. Die Schrittweite des Anfangsbedeckungsgrades betrug hierbei 0,1 ML. Die Variation der Heizrate hatte zur Folge, daß sich die Temperaturlagen der Maxima um bis zu 60 K verschoben. Die genauen Daten der TD-Maxima sind in der folgenden Tabelle gegeben:

  b1(a) b2
b [K/s] Tmax [K] Qmax [ML] Tmax [K] DT [K] Qmax [ML]
3,8 1267 1,24 1439 45 0,25
7,8 1278 1,31 1452 50 0,25
28,5 1312 1,32 1492 49 0,25

Die Spektrenform der b-Zustände ändert sich mit zunehmender Heizrate nicht. Während man beim b1-Zustand von der Ausbildung einer m. o. w. gut ausgebildeten gemeinsamen Anstiegsflanke reden kann, ist dies beim b2-Zustand nicht möglich. Hier liegen die Maxima auf einer Geraden und verschieben sich mit zunehmenden Anfangsbedeckungsgrad um DTmax » 50 K (s. Tabelle) zu höheren Temperaturen.

Ähnliche Merkmale der TD-Spektren konnten auch beim System Au/Re(0001) beobachtet werden, vgl. Kap. C 3.1.1. Dort wurden sie damit erklärt, daß das System ein zweidimensionales Phasengleichgewicht ausbilden kann, sich jedoch bei der Desorption in einem Temperaturbereich befindet, der für b2 oberhalb der kritischen Temperatur der zugehörigen Phasengrenze liegt, für b1 zumindest teilweise unterhalb von TC. Für die Ni-TDS von glatten Oberflächen wird dieses Phänomen beschrieben (vgl. auch Literaturtabelle):

Auch die TD-Spektren der Systeme Pd/W(110) [SCB80/1], Ni/Mo(110) [TiB90/1] (b1 + b2), Co/Re(0001) [Sch98/d], Rh/W(110) [KoB94/1] (nur b2) weisen die o. a. Merkmale auf (vgl. Literaturtabelle).

Abbildung D2
Abbildung D2  TD-Spektren des Systems Pd/Re(0001) für Anfangsbedeckungsgrade bis etwa 2 ML, Heizrate b = 28,5 K/s, Präparationstemperaturen 600 K und 1000 K. Zoom-pic Zoom-pdf

Deutliche Unterschiede zu den genannten Vergleichssystemen ergeben sich bei Pd/Re(0001) beim Übergang vom b1- zum b2-Zustand. Die TD-Spektren der b-Zustände, die in Abb. D 2 dargestellt sind, wurden mit einer hohen Heizrate von 28,5 K/s gemessen, um ggf. thermisch induzierte Effekte zu entdecken. Es kommt bei Pd-Filmen, die bei 600K präpariert wurden (LT), zu einer Verbreiterung der LT-Flanke des b2-Zustandes, s. Abb. D 2 (unten). Gleichzeitig wird deutlich, daß sich in der HT-Flanke des b1-Zustandes (jetzt b1a), ein Schulterzustand b1b ausbildet.

Die zweite TD-Serie, die in Abb. D 2 dargestellt ist, stammt von Proben, bei denen Pd bei 1000 K aufgebracht wurde (HT). Hier hat der b1a-Zustand eine völlig neue Gestalt, er verläuft nicht mehr in der gemeinsamen Anstiegsflanke. Die Maxima des hier auftretenden b2a-Zustandes liegen bei einer konstanten Maximumstemperatur von 1320 K. b2a dominiert das Spektrum und spaltet wie bereits bei den nicht getemperten Filmen einen Schulterzustand b2b an der HT-Seite ab, welcher sich mit (bis auf 2 ML) zunehmendem Anfangsbedeckungsgrad nach 1370 K verschiebt. Vergleicht man beide Spektrenserien aus Abb. D 2, so können die Zustände folgendermaßen korreliert werden:

b2:

Die Form des b2-Zustandes ist (bis auf die Verbreiterung der LT-Flanke der HT-Probe) bei den LT- und HT-Proben nahezu identisch.

b1b:

Der HT-Schulterzustand b1b ist in beiden Spektrenserien sichtbar. Er repräsentiert eine bei Desorptionstemperaturen auftretende, besondere Desorptionskinetik oder Filmmorphologie.

(Auch ein Legierungsprozeß könnte die Bildung dieses Zustandes induzieren. Beim System Sn/Mo(110) kommt es nach dem Tempern der Probe zur Ausbildung und zum Anwachsen eines neuen TD-Zustandes zwischen den Mono- und Multilagenzuständen, die bereits bei kalt präparierter Probe beobachtet und der Legierungsbildung zugeschrieben wurden [TiB88/1].)

b1a:

Die veränderte Form des b1a-Zustandes ist der entscheidende Unterschied zwischen beiden Spektrenserien. (Bei ungetemperten Filmen ist die Ausbildung einer gemeinsamen Anstiegsflanke zu beobachten, bei den getemperten Filmen liegen die Peakmaxima bei der gleichen Temperatur.)

Es liegt nahe, daß die Form von b 1a der getemperten Filme durch einen Effekt bedingt wird, der sich bereits vor dem TDS-Experiment auf die Proben auswirkt. Der Unterschied in den Adsorptionstemperaturen hat natürlich keinen Einfluß auf das TDS-Experiment selbst, da dieses ja weit oberhalb der Temperatur abläuft, bei denen die Filme getempert wurden (1000 K). Der Prozeß, der zur Bildung der Spektrenform der getemperten Filme führt, muß einen Vorgang sein, der im Verhältnis zum (schnell (28,5 K/s) durchgeführten) TDS-Experiment als langsam zu bezeichnen ist. Zu diesem Schluß kommen auch Tikhov et al. für das System Sn/Mo(110) [TiB88/1]. (Anderenfalls hätte das System während der Desorption, bei der relativ hohen Desorptionstemperatur, genügend Zeit den anscheinend thermodynamisch günstigeren Zustand einzunehmen, der auch in der HT-Proben vorliegt.)

Ein solcher Vorgang ist z. B. die Diffusion von Atomen aus dem Volumen eines Metallkristalls an seine Oberfläche. Dieser vorausgegangen ist der Prozeß der Legierungsbildung, der damit indirekt nachzuweisen ist. Der Wechsel der Desorptionsordnung von n = 0 (LT-Filme) nach n = 1 (HT-Filme) weist auf eine stärkere Verteilung der Adteichen, bzw. darauf hin, daß sich keine Adsorbatinseln (mit Phasengleichgewicht wie bei den Münzmetallen) mehr ausbilden. Ein ähnliche Peakform für die Desorption aus der Legierungsphase wird auch für das System Pd/W(221) beschrieben [KPA98/1]. Auch diese wird von den Autoren der Legierungsbildung zugeordnet.

Ebenso wie bei den TD-Spektren hat die Änderung der Heizrate keinen direkten Einfluß auf das Aussehen der layer plots der b-Zustände, vgl. Abb. D 1 b: Die Form der einzelnen Spektren im Bereich des b2-Zustandes zeigt Parallelen zu den layer plots des Systems Au/Re(0001) (Kap. C 3.1). Dies ist nicht verwunderlich, da ja auch, wie bereits oben erläutert, die TD-Spektren beider Systeme (mit Maxima, die auf einer zu hohen Temperaturen geneigten Linie liegen) etwa die gleiche Form besitzen.

Im Bereich des b1-Zustandes sind die layer plots der ungetemperten Filme aber im Gegensatz zum Au/Re-System durch die Ausbildung eines Schulterzustandes (b1b) an der Seite hoher Bedeckungsgrade gekennzeichnet. Geht man zu den (hier nicht dargestellten) Spektren der getemperten Filme über, erkennt man eine auffällige Verbreiterung des b1-Zustandes, was die Ausbildung von b1b und die veränderte (verbreiterte ) Form der TD-Spektren widerspiegelt. b1a kann bei den getemperten gegenüber den ungetemperten Filmen ein um 0,2 ML erhöhter Qmax-Wert von 1,5 ML zugeordnet werden.

Wie in Kap. A 4.4 beschrieben, kann man aus einer Serie von TD-Spektren Desorptionsisothermen berechnen. Stellt man diese in doppeltlogarithmischer Form dar, erhält man order plots, aus denen man bei einfachen Systemen direkt nach Gl. (A73) die Desorptionsordnung entnehmen kann. Die Spektrenserie aus Abb. D 1 wurde einer solchen Prozedur unterworfen, das Ergebnis ist in Abb. D 3 dargestellt.

Die order plot-Serie ist durch das Auftreten von vielen separierbaren Bereichen mit unterschiedlichen Verläufen gekennzeichnet. Ab 3 ML sind alle Graphen (zumindest mit T < 1300 K) horizontal, was ein klares Zeichen für eine Desorptionsordnung von n = 0 ist. Dieser horizontale Verlauf ist dem a -Zustand zuzuordnen und nach einem Übergangsbereich von 2 ML nach 3 ML vollständig ausgebildet.

Abbildung D3
Abbildung D3  order plots des Systems Pd/Re(0001), gewonnen aus der TD-Serie aus Abb. D 1. Zoom-pic Zoom-pdf

Im Bereich mit Q < 0,7 ML und T > 1380 K verlaufen die Graphen parallel, etwa mit dem Anstieg von n = 1. Dies ist der hauptsächliche Bereich der ersten Monolage, dessen Verlauf, wie o. a., mit dem z. B. des Au/Re-Systems verglichen (und auf die auch dort auftretenden Prozesse zurückgeführt) werden kann.

Die Bereiche mit Q < 0,7 ML und T < 1380 K sowie mit 0,7 < Q < 2,5 ML sind durch einen sehr steilen Verlauf der Graphen und das Auftreten vieler Steigungswechsel gekennzeichnet. Diese Bereiche entsprechen denen in den TD-Spektren, bei denen die verschiedenen zuvor diskutierten Schultern des b1-Zustandes beobachtet werden. Einen Anstieg der order plots von n = 2 im Bereich der zweiten Lage des Systems Co/Re(0001) konnte Schlatterbeck beobachten [Sch98/d]. Er schreibt diesen den komplizierten Mechanismen zu, die durch Mischungs- bzw. Entmischungsvorgänge hervorgerufen werden.

Die von den Münzmetallsystemen aus Teil C gewohnte Form der Übergänge zwischen den einzelnen Lagen, die in einem sehr (verschwindend) kleinen Bedeckungsgradbereich ablaufen, bleiben hier aus. Daß die Übergänge beim Pd/Re-System offenbar nicht so scharf sind, könnte an Interlagen-Austauschprozessen liegen, die sich über einen relativ weiten Bedeckungsgradbereich erstrecken, oder es treten legierungsbedingte Effekte auf, die die order plots stärker beeinflussen.

 

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1.1.2. Desorptionsenergie

Ebenso wie aus einer Serie von TD-Spektren Isothermen berechnet werden können, ist es auch möglich, Isosteren zu erhalten, also Graphen mit dem Bedeckungsgrad als Parameter, vgl. Kap A 4.4. Stellt man diese Desorptionsisothermen logarithmisch in der Desorptionsrate und reziprok in der Temperatur dar, ergeben sich Arrhenius-plots, deren Steigung nach Gleichung (A75) die Desorptionsenergie liefert. Dies ist allerdings wiederum nur bei einfachen Systemen der Fall, bei denen die Arrhenius-plots eine konstante Steigung haben. Ist kein linearer Verlauf gegeben, erhält man mit dem hier verwendeten integralen Auswertungsverfahren nach Bauer einen temperaturgemittelten Wert der Desorptionsenergie, der besonderer Beachtung und Diskussion bedarf. Es erscheint insofern sinnvoll, den Verlauf der errechneten Arrhenius-plots des Systems Pd/Re(0001) zu untersuchen. In Abb. D 4 ist das Ergebnis der diesbezüglichen Transformation dargestellt.

Abbildung D4
Abbildung D4  Arrhenius-plots des Systems Pd/Re(0001) für die b -Zustände aus der TD-Serie mit 3,8 K/s. Zoom-pic Zoom-pdf

Bis etwa Q  < 0,75 ML ist der Verlauf der Graphen tatsächlich nahezu linear. Die Steigungen der Graphen unterscheiden sich wenig. Ein ebenfalls linearer Verlauf wird für die Graphen mit Q > 1 ML beobachtet. In diesen Bereichen sollten die durch die gewählte Auswertungsmethode erhaltenen Daten einfach zu interpretieren sein.

Im Bereich von 0,75 bis 1 ML sind die Arrhenius-plots gebogen, z. T. sogar geknickt. Offenbar kommt es hier zu temperaturabhängigen Effekten. Diese führen im Rahmen der Auswertung zu "Quasiartefakten" und müssen bei der Interpretation der Desorptionsenergie besonders berücksichtigt werden. (Die Bauer´sche Auswertung basiert auf der Einstellung eines thermodynamischen Gleichgewichtes auch während der Desorption. Treten trotzdem zusätzliche Effekte auf, werden sie durch den gemittelten Edes-Verlauf nicht genau wiedergegeben.

In Abb. D 5 ist die energetische Auswertung aller untersuchten TD-Serien zusammengefaßt. (Es handelt sich dabei um Serien mit Heizraten von 3,8; 7,8 und 28,5 K/s sowie um die Serie der HT-präparierten Proben.) Auf den ersten Blick erscheint der Verlauf der Desorptionsenergie als Funktion des Bedeckungsgrades für die verschiedenen angewendeten Heizraten sehr ähnlich. Bei näherer Betrachtung ergeben sich aber sowohl qualitative als auch quantitative Unterschiede.

Bei den LT-Proben kommt es nach einem anfänglichen Bereich bis etwa 0,2 ML, in dem die Desorptionsenergie konstant bleibt (b = 3,8; 28,5 K/s) bzw. leicht abfällt (b = 7,8 K/s), zu einem Anstieg von Edes um etwa 60 kJ/mol auf Werte um 400 bis 440 kJ/mol bei etwa 0,35 ML. Bei der HT-Probe steigt Edes von 340 auf 440 kJ/mol kontinuierlich an. Ausgehend von der Überlegung, daß die HT-Probe eher durch thermodynamisches Gleichgewicht des Systems gekennzeichnet ist als die LT-Proben, scheint es sich bei der anfänglichen Konstanz der Desorptionsenergie im Bereich kleiner Bedeckungsgrade (insbesondere der LT-Probe, die mit der gleichen Heizrate vermessen wurde) um einen kinetischen Effekt zu handeln, der eine Anhebung von Edes induziert.

Abbildung D5
Abbildung D5  Desorptionsenergie des Systems Pd/Re(0001) nach Bauer für LT- (600 K) und HT- (1000 K) Proben, gemessen mit unterschiedlichen Heizraten. Zoom-pic Zoom-pdf

Der Anstieg von Edes ab Q = 0,2 ML kann der verstärkten Adteilchen-Wechselwirkung zugeschrieben werden, die aus dem Anwachsen der Pd-Menge innerhalb einer Lage resultiert und damit einen Anstieg der Koordination innerhalb dieser Lage widerspiegelt. Sowohl für Systeme, die nicht mit dem Substrat mischen, s. Teil C, als auch für legierende Systeme (Co/Mo(110) und Ni/Mo(110) im Bereich bis 0,1 ML [TiB90/1]) wird dieser Effekt beobachtet und äquivalent diskutiert. Schlatterbeck gibt als möglichen Grund für die zunehmende Desorptionsenergie bei Co/Re(0001) im Bereich bis 0,5 ML an, daß Co-Atome bereits hier aus einer Oberflächenlegierung heraus desorbieren [Sch98/d]. Dies wäre auch beim System Pd/Re(0001) denkbar, allerdings spricht die Spektrenform des b2-Zustandes nicht unbedingt dafür.

Nach dem Durchlaufen des Maximums bzw. eines kleinen Plateaus kommt es bei 0,5 (kleine Heizraten) bzw. 0,75 (b = 28,5 K/s) bei allen Messungen zu einem sehr starken Abfall der Desorptionsenergie bis 1 ML um 200 bis 250 kJ/mol. Daran schließt sich ein Wiederanstieg um etwa 50 bis 100 kJ/mol im Bereich bis 1,5 ML an. Diese enormen Schwankungen von Edes sind als "Quasiartefakte" (s. o.) der Bauer´schen Auswertungsmethode anzusehen, die allerdings zumindest z. T. auf physikalischen Ursachen beruhen. Wie o. a. kommt es in diesem Bereich zu einem nichtlinearen Verlauf der Arrhenius-plots.

Diese Schwankungen, die insbesondere durch die Ausbildung der verschiedenen Schultern des b1-Zustandes ausgelöst werden, können letztlich nur als Zeichen für die Entstehung bzw. den Zerfall einer Oberflächenlegierung gewertet werden. Zum gleichen Ergebnis kommt auch Schlatterbeck bei der Erklärung des Abfalls der Desorptionsenergie des Systems Co/Re(0001) im Bereich von 1,0 bis 1,5 ML um 100 kJ/mol [Sch98/d].

Ein Abfall von Edes ist bei der Desorption aus Legierungen heraus gar nicht ungewöhnlich und könnte sogar ein Zeichen für die Wirkung der Mischungsenergie sein, wie in Kap.4.4.1 gezeigt und auch z. B. bei den Systemen Co/Mo(110) und Ni/Mo(110) (-50 kJ/mol) [TiB90/1] oder auch Ag+Cu/Re(0001) bzw. Ag+Au/Re(0001), vgl. Kap. 2.1.2 und Kap. 3.1.2, beobachtet wird.

Bemerkenswert ist allerdings, daß die Desorptionsenergie ab ca. 0,75 ML (der Wert, bei dem der nichtlineare Verlauf der Arrhenius-plots einsetzt) bis weit unter die Sublimationsenthalpie des Pd von 378 kJ/mol [www_01] bzw. 377,4 kJ/mol [LPS00/1] abfällt. Eine mögliche Erklärung wäre, daß die Bindung von Pd-Atomen auf einer bereits vorher adsorbierten bzw. legierten Schicht schwächer ist, als die direkte Wechselwirkung von Pd mit der reinen Re-Oberfläche. Andererseits könnte auch ein Desorptionsmechanismus den gefundenen Desorptionsenergieverlauf hervorrufen, bei dem subsurface-gebundene, also legierte Pd-Atome die Adsorbatatome einer bedeckenden Pd-Lage herausstoßen [Ros01/s] und damit die benötigte Ablösungsenergie vermindern.

Beim System Sn/Mo(110), das eine Oberflächenlegierung bildet, kommt es im Bereich von 0 bis 0,5 ML zu einer Verringerung der Desorptionsenergie von 530 auf 340 kJ/mol, was allerdings der Repulsion der Adsorbatteilchen zugeschrieben wird [TiB88/1] – eine eher unwahrscheinliche Interpretation.

Bei 1,75 bis 2 ML bildet sich ein lokales Maximum in der Desorptionsenergie aus. Dieses ist besonders stark bei der HT-Probe ausgeprägt (370 kJ/mol), speziell auch im Hinblick auf die Situation der LT-Probe (320 kJ/mol), die mit gleicher Heizrate vermessen wurde. Dieser Unterschied ist wiederum der unterschiedlichen thermischen Behandlung zuzuordnen und könnte mit einer erhöhten Bindung im legierten System begründet sein.

Im weiteren Q-Verlauf nähert sich die Desorptionsenergie dem Wert der Sublimationsenthalpie des Pd an, den sie bei etwa 4,5 ML erreicht. Ab diesem Punkt ist ein abnehmender Trend im verlauf von Edes zu beobachten, der sich mit den Ergebnissen der Auswertung der Anstiegsflanke des a-Zustandes nach nullter Desorptionsordnung, s. Kap. 1.1.1 deckt (371 kJ/mol bei 5 ML; 358 kJ/mol bei 18 ML).

 

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1.2. Beugung langsamer Elektronen

Alle Proben (sowohl die bei 600 K (LT) als auch bei 1000 K (HT) präparierten) erzeugten im Bedeckungsgradbereich bis 10 ML weder Überstrukturreflexe noch eine Aufhellung des Untergrundes. Allerdings tritt eine Verbreiterung der Re-LEED-Reflexe auf. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen zum System Pd/Re(0001) [CRG92/1], Pd/Ru(0001) [Par88/1, CRG92/1, KoB99/1] sowie Ni/Ru(0001) [KoB99/1] und kann mehrere Ursachen haben.

Die erste wäre, daß es zu einer pseudomorphen Anordnung der Pd-Atome (u. U. mit Inselbildung) auf der Substratoberfläche kommt. Eine solche ps-Phase ist aus der Sicht des sehr kleinen misfits von = 0,4 % wahrscheinlich.

Andererseits wird die Bildung von Oberflächenlegierungen bei einem großen Teil der in Frage kommenden literaturbekannten Vergleichssysteme beobachtet. Beim System Pd/W(110) (mit = 0,4 %) wird im Submonolagenbereich eine p(3 x 1)-Struktur beobachtet, die von einer Legierung stammen kann [ScB80/1]. Die selbe Beobachtung wird beim System Pd/Mo(110) (mit = 1 %) mit Sicherheit der Legierungsbildung zugeschrieben [PBP85/1]. Parschau und Schlatterbeck beobachteten beim System Co/Re(0001) mittels STM und LEED das Auftreten von geordneten Adsorbatphasen [PaC99/1, Sch98/d].

Zur Bildung geordneter Legierungen kommt es allerdings häufig dann, wenn wegen eines zu großen misfits die Möglichkeit zur Bildung einer ungeordneten Legierung nicht besteht. Ist der misfit jedoch klein, werden geordnete Legierungen selten beobachtet (z. B. Ag + Au). So besteht auch die Möglichkeit einer statistischen Verteilung in der Substratoberfläche.

Als weitere Ursache für das Fehlen der Überstrukturreflexe kann man den fast gleichen Atomabstand der Re- und Pd-Atome anführen. Selbst große Inseln von Pd-Atomen auf/im Substrat würden auch im Submonolagenbereich keine LEED-Überstruktur hervorrufen. Auch für dicke Lagen (hier wurde ein 10 ML-Film bei LT und HT untersucht) ist aus dem o. a. Grund keine Änderung des Re(0001)-(1 x 1)-LEED-Bildes zu verzeichnen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß das Fehlen von Überstrukturreflexen bei der LEED-Untersuchung des Systems Pd/Re(0001) zwar nicht die Ausbildung von geordneten Strukturen auf/in der Substratoberfläche ausschließt, aber viel mehr die Hypothese einer pseudomorphen Pd-Adlage im Bereich bis 1 ML unterstützt.

 

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1.3. Röntgenphotoelektronenspektroskopie

Am System Pd/Re(0001) wurden XPS-Untersuchungen durchgeführt, um die elektronischen Wechselwirkungen von Adsorbat und Substrat zu untersuchen und mehr über den Aufbau der Pd-Filme zu erfahren. Insbesondere interessierte hierbei das Temperaturverhalten, das Rückschlüsse auf die Möglichkeit der Legierungsbildung verspricht. Es wurden Pd-Filme bis zu einem Bedeckungsgrad von 16 ML vermessen und zwar zunächst nach der Präparation bei 550 K (LT) und nach dem Erhitzen der Probe auf 1000 K (HT), vgl. auch Kap. B 4.3.1.

Im Rahmen der Meßgenauigkeit ließ sich bei allen beobachteten Proben keine Verschiebung der Bindungsenergie mit dem Bedeckungsgrad oder mit der Temperatur beobachten. Dies trifft sowohl auf die Re- als auch auf die Pd-Atome zu. Offenbar ist die elektronische Umgebung der Pd-Atome auf der Re-Oberfläche ähnlich der von Pd-Atomen, die sich auf der (111)-Oberfläche eines Pd-Kristalls befinden. Augenscheinlich ist eine zusätzliche Ladungsverschiebung zwischen Pd und Re trotz der unterschiedlichen Elektronendichten und Elektronegativitäten relativ gering.

Von Rodriguez et al. konnten Verschiebungen eines 1 ML dicken Pd-Filmes (gegenüber Pd(111)) von +0,7 eV [Rod96/1, RCG94/1], +0,65 eV [RCG92/1], +0,4 eV [CRG92/1] auf Re(0001) und von 0,3 eV [Rod96/1, RCG94/1] bzw. 0 eV auf Ru(0001) beobachten. FLAPW-Rechnungen ergaben für Pd/Re(0001) eine Verschiebung von +0,6 eV und für Pd/Ru(0001) von +0,54 eV [Wuf95/1]. Diese berechnete verstärkte Wechselwirkung der Pd-Atome mit der Re-Oberfläche im Gegensatz zu Ru ist auf die größere Differenz in den Elektronendichten zurückzuführen.

Für das System Pd/Mo(110) wird von einer asymmetrischen Änderung der Pd-3d-Peakform (und gleichzeitig Pd-MNN-Auger-Peakform) als Funktion des Bedeckungsgrades berichtet [PBP85/1], für das System La/Rh(111) von einer Verringerung der Peakbreite [KRR01/1]. Beim System Pd/W(221) entsteht sogar ein neuer Zustand als Funktion der Temperatur [KPA98/1]. Beide Effekte werden auf die Bildung einer Oberflächenlegierung zurückgeführt. Die diesbezügliche spezielle Inspektion der vom System Pd/Re(0001) aufgenommenen Spektren lieferte allerdings keinen positiven Befund für eine Oberflächenlegierung.

Abbildung D6
Abbildung D6  Normierte XP-Intensitäten der Re-4f7/2- und -4f5/2- sowie der Pd-3d5/2-Signale für bis zu 16 ML Pd/Re(0001) bei 550 K und 1000 K, sowie das normierte Intensitätenverhältnis Pd/Re (Analysatorspannung 50 eV). Zoom-pic Zoom-pdf

Betrachtet man die Intensität der XP-Spektren als Funktion des Bedeckungsgrades, so ist erwartungsgemäß ein Ansteigen der Pd- und ein Abfall der Re-Intensitäten zu verzeichnen. Um die damit verbundenen Details, auch im Hinblick auf ihre Temperaturabhängigkeit, genauer zu untersuchen, wurden in Abb. D 6 die normierten integrierten Re-4f- und Pd-3d-Signalintensitäten sowie deren normiertes Verhältnis als Funktion des Bedeckungsgrades dargestellt.

Verfolgt man den Verlauf der Pd-Intensität mit Q, kann man feststellen, daß LT- und HT-Signale sehr ähnlich ansteigen und bei etwa 2 ML einen Steigungswechsel aufweisen. Die entsprechenden Re-Signalintensitäten haben ebenfalls bis zum Wert von 2 ML einen gleichen Verlauf, der zusätzlich durch Sattelstellen bei 1 ML und 2 ML gekennzeichnet ist. Regelrechte Knicke im Verlauf der Adsorbat- oder Substratkurven, wie sie bei AES-Untersuchungen an vergleichbaren Systemen gefunden wurden (vgl. Literaturtabelle im Anhang), konnten jedoch nicht reproduziert werden.

Ab 2 ML jedoch nimmt das LT-Re-Signal stärker ab als das HT-Signal. Bei 10 ML ist das LT-Signal mit einer Intensität von 13 % rund 40 % stärker gedämpft als das HT-Signal mit 33 %. Offenbar ist die Morphologie der ersten 2 ML Pd/Re(0001) im Gegensatz zu dickeren Schichten relativ temperaturunabhängig.

Während die Pd-Signalintensitäten im Bereich von 10 bis 16 ML einem Sättigungswert zuzustreben scheinen, gehen die Re-Kurven nicht auf Null zurück: Die LT-Intensität verringert sich weiter auf etwa 7 % und die HT-Intensität auf etwa 30 %. Interessanterweise weisen HT- und LT-Intensitätsverhältnisse bis 6 ML einen gemeinsamen Verlauf auf.

Um das Temperaturverhalten des Systems genauer bestimmen zu können, wurden drei Pd-Filme aus qualitativ unterschiedlichen Bereichen des Spektrums aus Abb. D 6 mit Schichtdicken von

in 50 K-Schritten bis 1000 K untersucht. Dabei trat vor allen Dingen ein gravierender Unterschied zur Untersuchung der Bedeckungsgradabhängigkeit der XP-Signalintensitäten auf, der in Abb. D 7 zu erkennen ist: Die Pd-Signalintensitäten dicker Filme reagierten hier deutlich auf die Temperaturerhöhung, indem sie um bis zu 25 % im untersuchten Temperaturbereich von 400 bis 1000 K abnahmen. Anscheinend bewirkt ein langsames, schrittweise durchgeführtes und damit auch länger andauerndes Tempern zusätzliche Effekte im Hinblick auf die Änderung der Morphologie des adsorbierten Pd-Films stärker als eine relativ kurzzeitige (wenige Sekunden), in einem Schritt vollzogene Erwärmung der Probe.

Abbildung D7
Abbildung D7  Verlauf der normierten Intensität der Re- und Pd-Signalintensitäten aus Abb. D 6 als Funktion der Temperatur für Filme aus 1,8; 6,4 und 10 ML Pd/Re(0001). Zoom-pic Zoom-pdf

Während es beim Adsorbatsignal des 1,8 ML-Pd-Films zu Schwankungen im Temperaturverlauf von etwa 5 % kommt, ist beim Substratsignal ein leichter Anstieg der Intensität ab 550 K um etwa 10 % zu verzeichnen. Diese Ergebnisse liegen einerseits im Bereich der Fehlerbreite der Intensitätsmessungen und würden somit den Befund aus Abb. D 6 unterstützen, daß im Bereich bis 2 ML die HT- und LT-Signale einen etwa gleichen Verlauf haben. Der leichte Anstieg des Re-Signals könnte aber auch bereits ein Hinweis auf die einsetzende Legierungsbildung sein, die sich im TDS hauptsächlich im Bereich von 0,75 bis 2 ML dokumentiert.

Beim 6,4 ML-Pd-Film kommt es bis zu einer Temperatur von etwa 700 K zu einem leicht ansteigenden (abnehmenden) Verlauf des Substrat- (Adsorbat-) Signals. Dieser Verlauf ist durch die Ausbildung eines kleinen Maximums (bzw. evtl. sehr kleinen Minimums) bei 550 K gekennzeichnet. Der damit verbundene Anstieg (Abfall) der Intensität könnte ein Zeichen für ein Kompakterwerden des Films sein, der damit weniger Substratelektronen streuen würde.

Ab ca. 700 K kommt es zu einem starken Anstieg des Substratsignals von ca. 45 auf ca. 65 %. Damit ist ein Abfall von ca. 80 auf ca. 55 % des Adsorbatsignals verbunden, der, wie o. a., bei kurzzeitigem Erwärmen der Probe nicht beobachtet wurde.

Solche zweistufige Intensitätsänderungen werden allgemein der Legierungsbildung im Oberflächenbereich zugeschrieben. Ähnliche zweistufige Prozesse (mit mehreren Extrema und Plateaus) wurden bei vielen legierenden Systemen beobachtet und äquivalent interpretiert: Pd/Mo(110) [PBP85/1], Ni/Mo(110) [TiB90/1], Fe;Co/Mo(110) [TiB90/1], Fe;Rh/Ru(0001) [KoB99/1], Fe;Rh/W(111) [KoB99/2].

Der Verlauf des Re- (Pd-) Signals der 10 ML-Probe ist durch einen starken Anstieg von 10 auf 35 % (Abfall von 95 auf 75 %) im Bereich von 400 bis ca. 850 K gekennzeichnet. Danach findet man im Bereich bis 1000 K die Ausbildung eines Plateaus. Der Verlauf des Pd-Signals ist im Bereich des Abfalls wiederum durch mehrere lokale Extrema (500 und 700 K) charakterisiert. Die starken Änderungen der Signalintensitäten von Re und Pd werden hier den Umwandlungen in der Filmmorphologie zugeschrieben, äquivalent zu den Extrema bei 550 K beim 6,4 ML-Pd-Film. Daß der Temperatur- und Intensitätsbereich beim 10 ML-Film größer ist als beim 6,4 ML-Film, resultiert daraus, daß mehr Material bewegt werden muß bzw. kann. Dies konstatieren auch Bauer et al. für AES(T)-Spektren des Systems Pd/Mo(110) [PBP85/1].

 

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1.4. Elektronenaustrittsarbeit

Weitere Informationen über elektronische Eigenschaften und die Beschaffenheit der Pd/Re-Probe sollten aus DF-Messungen resultieren. Dazu wurden unterschiedlich dicke Pd-Filme untersucht (aus technischen Gründen nur bis zu einem Bedeckungsgrad von 4,5 ML). Die Meßwerte wurden einerseits direkt nach der Probenpräparation bei 550 K (LT) aufgenommen und andererseits nach dem Erhitzen der Probe auf 1000 K (HT). Die sich dabei ergebenden Verläufe für DF(Q) sind in Abb. D 8 dargestellt.

Abbildung D8
Abbildung D8  DF-Kurven für bis zu 4,5 ML dicke Filme Pd/Re(0001) bei 550 K und nach dem Erhitzen auf 1000 K, nach der Kelvinmethode. Zoom-pic Zoom-pdf

Über den gesamten Bedeckungsgradbereich betrachtet kommt es zu einem mittleren Anstieg der Elektronenaustrittsarbeit um ca. 0,55 eV. Diese Änderung deckt sich mit dem erwarteten Wert für eine Pd(111)-Oberfläche. Bildet man nämlich die Differenz der Austrittsarbeitswerte von Pd (5,2 eV [Moe68/b], 5,55 eV [Par88/1]) und von Re (4,8 eV [Beu73/1], 4,96 eV [Wil66/1], 5,09 eV [WuF95/1], 5,39 eV [YAW00/1]), erhält man Werte von -0,2 bis +0,75 eV. (Diese große Spanne ergibt sich augenscheinlich aus der starken Streuung der Literaturwerte.)

Im Bereich bis 0,25 ML ist der Verlauf der LT- und HT-Kurven grundsätzlich verschieden. Während die HT-Kurve mit Q ansteigt, durchläuft die LT-Kurve nach ihrem Startwert von 0 eV ein Minimum von -0,1 eV Tiefe bei 0,1 ML. Eine solche Absenkung der Austrittsarbeit bei einem System mit insgesamt positivem DF -Änderungstrend erscheint ungewöhnlich. Mit einer eventuellen Glättung der Oberfläche beim Erhitzen und damit verbundener Erhöhung der Austrittsarbeit auf Grund des Smoluchowski-Effekt (s. Kap. A 2.6.2) läßt sich der DF -Unterschied von 0,3 eV bei 0,25 ML zumindest nicht vollständig erklären.

Eventuell könnte es bei einer bestimmten Anordnung der Adatome zu einem vermehrten Ladungstransfer kommen, der dann tatsächlich eine Verminderung von DF in der entsprechenden Größenordnung zur Folge haben könnte. Daß HT- und LT-Filme im Bereich bis 0,25 ML Unterschiede aufweisen, wurde ja bereits im Verlauf der Desorptionsenergie deutlich. Welcher Art diese Unterschiede sind, kann auch hier nicht geklärt werden. Beim System Pd/W(110) kommt es zur Ausbildung eines DF-Minimums für HT-Proben, was Legierungseffekten zugeordnet wird [PRB81/1].

Ab etwa 1 ML geht die HT-Kurve in einen Sättigungsverlauf über, der bis 2 ML noch durch geringfügige Schwankungen gekennzeichnet ist. Dieses Verhalten kann bei der LT-Kurve nicht beobachtet werden. Dort wird ein Grenzwert frühestens nach ca. 5 ML erreicht. Ein ebenfalls unterschiedlicher Verlauf der HT- und LT-Kurven wird auch beim System Ni/W(110) beobachtet und der Bildung einer Legierung erklärt [KoB84/3]. Die Schwankungen im DF-Verlauf zwischen 1 und 2 ML, die auch bei der LT-Kurve beobachtet werden können, korrespondieren evtl. mit den starken Änderungen von Edes, vgl. Abb. D 5.

 

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